Forschungsfeld Klimadynamik – die neue Direktorin Sarah Kang im Portrait

Als sie die Tür zu ihrem Büro öffnet und mit einem freundlichen Lächeln hereinbittet, wird schnell klar: Sarah Kang ist noch neu am Max-Planck-Institut für Meteorologie. Der Raum ist halb leer, manche Büromöbel sind noch nicht geliefert, in der Ecke stehen unausgepackte Umzugskartons. Erst im August hat die Koreanerin ihre Stelle als Direktorin einer neuen Abteilung angetreten – der Abteilung Klimadynamik. Nun, zwei Monate später, scheint alles auf gutem Weg: Kangs elfjähriger Sohn sitzt am Rechner und widmet sich sichtlich motiviert seinen Hausaufgaben. „Ihm gefällt es hier sehr“, erzählt Kang. „Er hat sich auf das Leben in Hamburg bereits gut eingestellt.“ Auch die Klimaforscherin versprüht Elan. Das Max-Planck-Institut bietet ihr beste Möglichkeiten, ihr Forschungsziel zu verfolgen: Wie im Detail führt die globale Temperaturerhöhung zu großräumigen Klimaveränderungen, welche Mechanismen sind dafür verantwortlich?

Wie lässt sich Ihr Forschungsfeld in wenigen Sätzen beschreiben? 

Ich will verstehen, warum sich das Klima ändert und wie es in Zukunft aussehen wird. Um das herauszufinden, entwickelt die Fachwelt Klimamodelle, die uns Antworten auf diese Fragen geben. Damit diese Modelle aussagekräftig sind, braucht man ein gewisses Verständnis für die Mechanismen, die hinter den Klimaveränderungen stecken. Und ich versuche, diese Mechanismen möglichst detailliert zu verstehen.

Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, Klimaforscherin zu werden?

Ziemlich früh, schon als Schülerin. Mein Vater war in Korea Professor für Meteorologie und nahm uns jedes Jahr mit in die USA zur NASA in Maryland. Dort hatte er Fachkollegen, mit denen wir gut befreundet waren. Wir besuchten auch seine Kollegen in Italien und auf Hawaii – und sie alle schienen große Freude an dem zu haben, was sie tun. Das hat mich fasziniert, ich mochte die Art und Weise, wie sie arbeiteten und wie sie Spaß an der Wissenschaft hatten. Deshalb begann ich nach der Schule, die Wissenschaft der Atmosphäre zu studieren.

Wurde dann bei Ihnen zuhause beim Abendessen regelmäßig über Klimaforschung diskutiert?

Das nicht, obwohl ich sogar Vorlesungen bei meinem Vater gehört habe. Eigentlich hatte ich damit kein Problem. Aber ich dachte: Um eine Eins zu bekommen, muss ich wirklich die Beste sein – sonst hätten die anderen Studierenden womöglich vermutet, dass die Benotung nicht ganz fair sein könnte. Deshalb habe ich wirklich hart gearbeitet, damit alle akzeptieren, dass ich die Eins auch wirklich verdient habe.

Zur Promotion zog es sie dann in die USA, nach Princeton. Wie kam’s?

In Korea lagen die Forschungsschwerpunkte damals auf der Untersuchung des regionalen, ostasiatischen Klimas. Mich aber hat eher das großräumige, globale Klima interessiert. Mein Betreuer in Princeton war ein Experte auf diesem Gebiet – das hat also gepasst. Interessanterweise hatte er viele Jahre zuvor auch meinen Vater betreut, und zwar während dessen Postdoc-Zeit in den USA. Ich habe noch ein Foto, das uns bei einem Besuch im Haus meines späteren Doktorvaters zeigt – ich war damals fünf Jahre alt!

Nach der Promotion und einer Postdoc-Stelle an der Columbia University in New York gingen Sie dann zurück nach Korea...

... weil mein Ehemann da lebte, ganz einfach. Eigentlich ist es für junge Leute in Korea schwierig, eine Dozentenstelle an einer Universität zu bekommen. Aber ich hatte Glück, ich konnte eine Stelle als Assistenzprofessorin am Ulsan National Institute of Science and Technology ergattern, kurz UNIST. Das war damals eine sehr junge Universität, und im Gegensatz zu den meisten anderen ostasiatischen Hochschulen gab es am UNIST keine ausgeprägten Hierarchien. Es hat viel Spaß gemacht, dort zu arbeiten.

Dennoch sitzen Sie jetzt hier, zwölf Jahre später, in Ihrem neuen Büro in Hamburg...

Eigentlich habe ich nie daran gedacht, in Europa zu leben. Die USA kannte ich, aber Europa hielt ich für eine andere Welt. In Korea stellen wir uns vor, die Europäer seien romantisch und relaxed und würden das Leben genießen. Doch als sich diese Gelegenheit hier ergab, konnte ich sie mir einfach nicht entgehen lassen. Denn die Bedingungen hier sind wirklich großartig: Als Direktorin genieße ich enorme Forschungsfreiheiten und habe die volle Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft, sowohl was das Personal angeht als auch die Computerressourcen.

Wie genau lief das denn mit dem Auswahlverfahren?

Das Institut hatte mich eingeladen, einen Vortrag zu halten. Ich hatte keine Ahnung, dass sie mich als Kandidatin für einen Posten als Direktorin im Auge hatten – ich dachte, es handele sich um ein normales Seminar. Doch dann lud mich der geschäftsführende Direktor Bjorn Stevens zu einem Kaffee ein und fragte, ob ich nicht Lust hätte, nach Hamburg zu kommen. Zunächst dachte ich, es geht um eine Gruppenleiterposition in seiner Abteilung – schon das wäre für mich eine Ehre gewesen. Doch dann sagte er, dass sie eine neue Direktorin suchen – und da war ich total aufgeregt, das hätte ich mir niemals vorstellen können. Um die Stelle dann zu bekommen, musste ich allerdings noch einen Forschungsantrag schreiben und ein Berufungskomitee von meinen Ideen überzeugen.

Was haben Sie vor, wo wollen Sie Ihre Forschungsschwerpunkte setzen?

Die Frage, die mich am meisten umtreibt, ist das Erwärmungsmuster im tropischen Pazifik. Zwar hat sich das Erdklima global gesehen in den letzten 30 Jahren erwärmt. Doch entgegen den Prognosen der Klimamodelle kühlte sich der tropische Pazifik in dieser Periode zeitweise ab – und ich will verstehen, warum. Etwa im gleichen Zeitraum ist der Südliche Ozean, der die gesamte Antarktis umgibt, ebenfalls kühler geworden. Viele Fachleute vertreten die Meinung, dass das durch die Abkühlung des tropischen Pazifiks verursacht wurde. Ich dagegen halte es für möglich, dass es eher umgekehrt ist und der Südliche Ozean zur Abkühlung des tropischen Pazifiks beigetragen hat.

Welche Art von Mechanismen spielen dabei eine Rolle?

Es gibt mehre Mechanismen, die da hineinspielen. Zum Beispiel könnten die Verhältnisse des nördlichen tropischen Atlantiks oder des Indischen Ozeans zu einer Abkühlung geführt haben. Auch Aerosole in der Atmosphäre könnten zu der Abkühlung beigetragen haben. Wichtig ist auch eine Art ­Thermostat-Mechanismus: Im östlichen tropischen Pazifik steigen große Wassermengen aus der Tiefe an die Oberfläche auf. Dieses Tiefenwasser hat die Klimaerwärmung bislang noch nicht gespürt. Deshalb ist es kalt, hat also eine abkühlende Wirkung. Doch mit der Zeit wird sich auch dieses Wasser erwärmen, wodurch sich der Thermostat-Effekt abschwächen dürfte. Die Frage ist: Wann wird das passieren?   

Wie ist die Situation im Moment, in welche Richtung weist der Trend?

Der tropische Pazifik ist tatsächlich sehr warm. Allerdings wissen wir noch nicht, ob das vor allem mit dem starken El-Niño-Ereignis zusammenhängt, also einer natürlichen Temperaturschwankung des östlichen Pazifiks, oder ob das hauptsächlich von der globalen Erwärmung verursacht wird. Ich denke, es ist eine Mischung von beidem. Klar scheint: Der tropische Pazifik ist mitentscheidend für das Ausmaß der globalen Erwärmung. Ist es dort wärmer als in den anderen Regionen, wird die globale Erwärmung stärker ausfallen. Erwärmt er sich weniger stark, fällt die globale Erwärmung geringer aus. Deshalb müssen wir verstehen, wie stark sich der tropische Pazifik im Verhältnis zu anderen Teilen der Welt erwärmt. Je genauer das Bild ist, das wir von all diesen Mechanismen haben, umso besser können wir beurteilen, wie sich diese Mechanismen in Zukunft verändern werden.

Welche Werkzeuge setzen Sie ein, um diesen Fragen auf die Spur zu kommen?

Ich arbeite vor allem mit Klimamodellen, die auf leistungsfähigen Computern laufen. Hier am Max-Planck-Institut gibt es eines der weltweit führenden Klimamodelle, es hat eine globale Auflösung von einem Kilometer. Um damit Klimasimulationen laufen zu lassen, kann ich Levante nutzen, den neuen Hochleistungscomputer des Deutschen Klimarechenzentrums. Ich kann beispielsweise eingeben, wie sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre erhöht und dann schauen, wie sich das auf die Entwicklung des Klimas auswirkt. In Korea hatte ich nur sehr beschränkte Computerressourcen. Hier werde ich ungleich mehr Rechner-Experimente ausführen können, und das ist wirklich faszinierend. Und ich glaube, dass es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen des Instituts kommen wird. Jochem Marotzke und sein Team haben ein enormes Fachwissen über den Ozean, die Arbeitsgruppe von Bjorn Stevens ist auf Wolken und Atmosphäre spezialisiert. Alle diese Expertise kann ich gut brauchen, um ein möglichst vollständiges Bild der klimadynamischen Prozesse zu erhalten.

Auch wenn Ihr Büro noch nicht komplett eingerichtet ist: Wie gefällt es Ihnen nach zwei Monaten in Hamburg?

Ich mag es wirklich hier. Am besten gefällt mir, dass ich fast überall mit dem Fahrrad hinkomme – die Größe der Stadt ist dafür wirklich ideal. Mein Sohn hat sich hier rasch eingelebt, inzwischen auch meine achtjährige Tochter – selbst, wenn sie anfangs starkes Heimweh nach Korea hatte. Und mein Mann wird im Dezember nach Deutschland kommen und für drei Jahre Erziehungsurlaub nehmen.

Die wichtigste Frage zum Schluss: Welches ist das beste koreanische Restaurant in Hamburg?

(lacht) Das kann ich noch gar nicht sagen – ich war hier bislang nur einmal koreanisch essen. Das war zwar ganz in Ordnung, aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Das Interview wurde von Frank Grotelüschen geführt

Webseite der Abteilung Klimadynamik
Persönliche Webseite von Sarah Kang