Klimamodellierung am Max-Planck-Institut für Meteorologie
Das Klimamodell ICON ist das zentrale Forschungsinstrument am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M). ICON wird entwickelt, um die fortschrittlichsten Informationstechnologien für die bestmögliche Darstellung des Klimasystems zu nutzen. ICON ermöglicht es den Wissenschaftler*innen, Ideen über die Funktionsweise des Klimasystems zu entwickeln und zu testen. Es trägt so zur Beantwortung der Fragen bei, die der Klimawandel für die Klimawissenschaft und die Gesellschaft aufwirft und die von den traditionellen Modellen in vielen Fällen nicht beantwortet werden können.
ICON erhält seinen Namen von der Verwendung sphärischer Gitter, die aus dem Ikosaeder (ICO) und der nicht-hydrostatischen (N) Dynamik abgeleitet sind. Es entstand als gemeinsames Projekt des MPI-M und des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Dieses Projekt hat sich um Entwicklungspartner am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ), der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erweitert. Das Modell umfasst Komponentenmodelle für die Atmosphäre, den Ozean und das Land sowie für chemische und biogeochemische Kreisläufe, die alle auf der Grundlage gemeinsamer Datenstrukturen implementiert sind und dieselbe effiziente technische Infrastruktur nutzen. ICON wird von einer Expert*innen-Gruppe für Modellentwicklung und -anwendung in der Einheit „Wissenschaftliches Rechnen“ am Institut integriert und gepflegt.
Experimentgetriebene Modellentwicklung
Das unstrukturierte ICON-Gitter ermöglicht eine flexible Konfiguration von globalen bis zu regionalen Gebieten, mit regionalen Verfeinerungs- oder Zoom-Optionen sowie speziellen Konfigurationen für idealisierte Forschungsexperimente. Diese Flexibilität war kein Designziel, sondern ergab sich aus der Art und Weise, wie wir ICON nutzen, da seine Entwicklung unseren wissenschaftlichen Interessen folgt. Änderungen und neue Funktionalitäten werden insofern eingeführt, als dass sie unsere Fähigkeit zur Durchführung spezifischer numerischer Experimente verbessern, die bestimmte Forschungsfragen beantworten. Das verstehen wir unter experimentgetriebener Modellentwicklung.
Klimavariabilität, langsame Prozesse
Eine ICON-Konfiguration mit grober horizontaler Auflösung (>20km) ermöglicht längere Zeitschritte und damit Experimente, die lange Integrationszeiten erfordern. Somit können Prozesse untersucht werden, die sich langsam entwickeln, wie biogeochemische Prozesse in Böden, die Vegetation, der Ozean oder die Entwicklung von Permafrost bei Erwärmung. Die Verwendung einer derart groben horizontalen Auflösung schließt eine explizite Darstellung des vertikalen Energietransports durch konvektive Stürme aus, ganz zu schweigen von Schwerewellen, Oberflächenrauheit, turbulenter Mischung, Wolken und Strahlung. Auch Ozeanwirbel, viele bathymetrische Effekte auf die Wassermassenbildung und die Verformung des Meereises werden bei diesen Auflösungen nicht aufgelöst und müssen durch sogenannte Parametrisierungen statistisch dargestellt werden. Diese Konfiguration, die mit traditionellen Klimamodellen vergleichbar ist, erlaubt jedoch Studien mit großen Ensembles auf Zeitskalen von Jahrhunderten bis hin zu vielen Jahrtausenden und ermöglicht so eine Bewertung der Rolle langsamer Prozesse bei der Entwicklung des Klimasystems.
Neuer Ansatz zur Klimamodellierung, aufgelöste Prozesse
Durch die Entwicklung einer globalen Konfiguration von ICON mit horizontalen Gittern, die fein genug sind (< 5 km), um den vertikalen Energietransport durch tiefe Konvektion in den Tropen und Ozeanwirbel sowie kleinräumige Strukturen in der Topographie, der Bathymetrie des Ozeans und dem Meereis aufzulösen, kann ein stärker Physik-basierendes Modell erstellt werden. Diese Konfiguration ermöglicht es den Wissenschaftler*innen am MPI-M, neuartige Fragen zu stellen oder alte Fragen besser zu beantworten. Leider kann diese Konfiguration nur für Experimente auf Zeitskalen von weniger als hundert Jahren verwendet werden, da der Zeitschritt zu klein ist, um längere Integrationen zu ermöglichen. Das sind Gründe für die duale Strategie und die Fortführung traditionellerer Ansätze, wie sie oben beschrieben sind.
Die Entwicklung eines Simulationssystems, das mit so hohen Auflösungen arbeitet, bringt neue technische Herausforderungen mit sich, z. B. die Nutzung neuartiger Recheninfrastrukturen wie GPU-basierter Maschinen, und die Neugestaltung des Arbeitsablaufs, um die Arbeit mit den so erzeugten sehr großen Datenmengen zu ermöglichen. Dies bringt auch neue Facetten für unsere Arbeit mit sich, die ebenfalls dazu beitragen, die Klimaforschung umzugestalten.
Komponenten des Erdsystems: Atmosphäre, Ozean, Land
ICON umfasst Komponentenmodelle für die Atmosphäre (ICON-A), den Ozean zusammen mit dem Meereis (ICON-O) und das Land (ICON-L). Sie können als separate Modelle oder gekoppelt als Erdsystemmodell verwendet. Es besteht die Möglichkeit, den vollständigen Kohlenstoffkreislauf, biogeochemische Prozesse im Ozean und eine komplexe Behandlung von Landprozessen einzubeziehen.
Projekte
nextGEMS: Erdmodellierungssysteme der nächsten Generation
nextGEMS (Next Generation Earth Modelling Systems) - ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt. Es wird durch das EU-Programm Horizon 2020 finanziert und wird das Fachwissen von vierzehn europäischen Nationen nutzen, um zwei Erdsystemmodelle der nächsten Generation (zur Konvektionsauflösung) zu entwickeln.
WarmWorld
WarmWorld bringt elf Partner-Institutionen aus Deutschland zusammen, um an der Skalierbarkeit des ICON-Modells für Exascale-Anwendungen zu arbeiten. Das Ziel ist es, globale ozeanische und atmosphärische gekoppelte Zirkulationssysteme auf Kilometerskalen aufzulösen.
Destination Earth
Destination Earth (DestinE) ist eine ehrgeizige Initiative der Europäischen Union zur Erstellung digitaler Zwillinge unseres Planeten.
MPI-ESM
MPI-ESM ist das ehemals vom MPI-M entwickelte Modell. Es verbindet die Atmosphäre, den Ozean und die Landoberfläche durch den Austausch von Energie, Impuls, Wasser und Kohlendioxid. Es basiert auf den Modellkomponenten ECHAM6 für die Atmosphäre, MPIOM für den Ozean, JSBACHv3 für Böden und die terrestrische Biosphäre und HAMOCC für die Biogeochemie des Ozeans.
Dieses Modell wurde in den vergangenen gekoppelten Modellvergleichsprojekten (CMIP) eingesetzt und wird noch aktiv genutzt. Es wird jedoch nicht weiterentwickelt, da es sich nicht wesentlich von der Konfiguration von ICON für grobe Gitter unterscheidet, die im Mittelpunkt der künftigen Entwicklungen dieser Modellklasse steht.
Verfügbarkeit von Code und Lizenzen
Softwareentwicklungen des MPI-M, die ab 2022 begonnen wurden, sind unter einer großzügigen (normalerweise BSD-3C) Open Source Lizenz verfügbar.
ICON wird ebenfalls als Open-Source-Projekt (BSD-3C) entwickelt. Die Umstellung auf Open Source ist in vollem Gange und soll bis Ende des Jahres (2023) abgeschlossen sein. Bis dahin stellen die Entwicklungspartner den ICON-Code Einzelpersonen und Institutionen zu Forschungszwecken im Rahmen eines separaten Lizenzvertrags frei zur Verfügung: Unter folgendem Link erhalten Sie den ICON-Code.
Kontakt
Dr. Daniel Klocke
Gruppenleiter – Model-Infrastruktur (CIMD)
Tel.: +49 (0)40 41173-144
daniel.klocke@ mpimet.mpg.de
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