WCRP Grand Challenge Projekt: Kohlenstoffrückkopplungen im Klimasystem
Im neuen Grand Challenge Projekt "Kohlenstoffrückkopplungen im Klimasystem" des Weltklimaforschungsprogramms (WCRP) wollen die beteiligten Wissenschaftlergruppen aus aller Welt herausfinden, wie diese biogeochemischen Kreisläufe und Rückkopplungen auf die Kohlendioxidkonzentrationen Einfluss nehmen und damit das Klimasystem mit bestimmen.
Dazu stellen sich die Forscher unter der Projektleitung von Dr. Tatiana Ilyina, Leiterin der Gruppe "Biogeochemie des Ozeans" am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) und Prof. Pierre Friedlingstein von der University Exeter, UK, folgende Leitfragen:
- Welche Prozesse bestimmen die Kohlenstoffsenken an Land und im Ozean?
- Wie groß ist das Potential einer Verstärkung des Klimawandels im 21. Jahrhundert durch Klima-Kohlenstoffkreislauf-Rückkopplungen?
- Wie reagieren Treibhausgasflüsse aus hochempfindlichen Kohlenstoffspeichern auf den Klimawandel (Klimaextreme und abrupte Änderungen eingeschlossen)?
Tatiana Ilyina: "Unsere große Herausforderung wird sein, die Unsicherheiten in der Quantifizierung der Kohlenstoffrückkopplungen im Klimasystem zu reduzieren. Wir wollen einige sehr spezifische Fragen stellen, wie z.B.: Was ist die Rolle des Südlichen Ozeans bei der Kontrolle der Stärke und Veränderlichkeit der ozeanischen Kohlenstoffsenke? Oder, wie wirken sich Prozesse der CO2-Düngung und der Nährstofflimitierung auf die Effizienz der Land-Kohlenstoffsenke aus?"
Hintergrund
Die biogeochemischen Kreisläufe des Ozeans und der Landoberfläche sind Schlüsselkomponenten des Klimasystems der Erde. Die Flüsse von vielen Treibhausgasen und Aerosolen werden durch biogeochemische und physikalische Prozesse bestimmt. Sie reagieren empfindlich auf Änderungen des Klimas und auf Änderungen der Zusammensetzung der Atmosphäre. Insbesondere wird die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase in der Atmosphäre (Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Stickoxide (N2O)) von biogeochemischen Prozessen bestimmt. So ist fünfmal mehr Kohlenstoff (C) in Pflanzen, Böden und in Permafrostböden gebunden als in der Atmosphäre. Der globale Ozean enthält sogar fünfzigmal mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre. Laut dem globalen Kohlenstoffbudget von 2015 wurden seit 1870 400±20 Gigatonnen Kohlenstoff (GtC) durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre eingebracht; durch Änderungen der Landnutzung kamen geschätzt weitere 145±50 GtC dazu. Von diesen durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen verblieben 230±5 GtC in der Atmosphäre. Die Ozeane und die Landökosysteme nahmen jeweils 155±20 GtC und 160±60 GtC auf. Damit nahmen die Landoberfläche und die Ozeane ungefähr die Hälfte des von Menschen eingebrachten Kohlenstoffs auf und milderten den Kohlenstoffanstieg in der Atmosphäre und damit auch den Klimawandel ab. Ohne diese Kohlenstoffsenken wäre die aktuelle CO2-Konzentration in der Atmosphäre schon auf das Doppelte des vorindustriellen Wertes angestiegen, und die globale Erwärmung läge wahrscheinlich bereits über 2°C. Trotzdem gibt es Unsicherheit über die wirkliche Größe der Kohlenstoffsenken und wie sie derzeit funktionieren. Zudem ist nicht gut genug bekannt wie die Senken aktuell arbeiten und ob sie weiterhin so effektiv bleiben werden, wenn sich das Klima ändert.
Als erstmals Klima-Kohlenstoffkreislauf-Rückkopplungen in Klimamodellen integriert wurden, wurde eine signifikante Abschwächung der Kohlenstoffsenken in einem erwärmten Klima sichtbar, was sowohl zu einem beschleunigten Anstieg von CO2 in der Atmosphäre als auch der globalen Erwärmung im 21. Jahrhundert führte. Der Vergleich der ersten Generation von gekoppelten Klima-Kohlenstoffkreislaufmodellen (C4MIP) zeigte, dass die Rückkopplungen des Kohlenstoffkreislaufs eine der großen Unsicherheiten für die Klimaprojektionen darstellen; sie sind damit genauso wichtig wie die Unsicherheiten aus physikalischen Rückkopplungen. Diese signifikanten Unsicherheiten, insbesondere für die Landkomponenten, sind später auch noch in den CMIP5-Simulationen der Erdsystemmodelle für den 5. Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu finden.
Es bleiben auch große Unsicherheiten für die zukünftigen Flüsse aus tropischen Ökosystemen, für mögliche CO2- und CH4-Flüsse aus tauendem Permafrostboden und Feuchtgebieten und für die jetzige und zukünftige Rolle von Nährstoffen als limitierende Wachstumsfaktoren. Der Südliche Ozean spielt die Schlüsselrolle bei der Aufnahme von anthropogenem Kohlenstoff, aber die Stärke dieser wichtigen Ozeansenke und ihre Rückkopplung auf Klimawandel und -variabilität sind in den Erdsystemmodellen nach wie vor nur ungenügend abgeschätzt und dargestellt. Diese Unsicherheiten nicht zu kennen, hat letztlich auch Auswirkungen auf die Klimapolitik bzw. auf die Abschätzung der verfügbaren CO2-Emissionen, um das 2°-Grad-Ziel noch zu erreichen (oder 1,5°-Ziel wie auf der Conference of the Parties (COP) 21 in Paris vorgeschlagen wurde).
Forschungsinitiativen und Koordination
Das Grand Challenge Projekt wird in den nächsten 5-10 Jahren den drei Leitfragen mit vier Forschungsinitiativen nachgehen. Das Kick-off-Meeting findet vom 21. bis 22. November 2016 in Hamburg statt.
Die vier Initiativen zur Vertiefung des Verständnisses der biogeochemischen Prozesse - mit dem Ziel, die Klimaprojektionen zu verbessern - sind:
1. Prozessverständnis auf der Landoberfläche
2. Prozessverständnis im Ozean
3. Lernen aus existierenden Beobachtungsreihen
4. Hin zu verbesserten Projektionen
Ein wissenschaftliches Leitungskomitee von zehn weltweit führenden Experten auf ihrem Gebiet wird die Implementierung überwachen und klare Ziele und Arbeitspläne definieren. Das Komitee wird auch die Experten bestimmen, die die genannten Initiativen leiten werden. In Workshops werden kleine Gruppen von führenden Experten die Leitfragen und die Forschungsvorhaben inhaltlich zusammenführen und existierende Lücken identifizieren. Die Ergebnisse sollen in hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschriften erscheinen.
Forschungsansätze
Es gibt bereits viele Aktivitäten überall auf der Welt, die zu diesen vier Initiativen beitragen. Insbesondere sind dabei das Coupled Model Intercomparison Project (CMIP) und die Beiträge zu den Sachstandsberichten des IPCC zu nennen. In CMIP6 werden zahlreiche MIPs koordiniert, die auch für das Grand Challenge zu Kohlenstoffkreislaufrückkopplungen wichtig sind. Insbesondere die historischen Simulationen zur Kohlenstoffaufnahme von Land und Ozean sind dabei zu nennen.
Neben den Modellaktivitäten gibt es auch immer mehr Beobachtungsnetzwerke, die essentiell für das Prozessverständnis zu nutzen sind, und Beobachtungen zum Beispiel zu CO2-, Oberflächensalzgehalten und Vegetationsbedeckung liefern.
Modellentwicklung und -evaluation sind wichtig für dieses Grand Challenges Projekt. Das EU-Projekt CRESCENDO widmet sich der Verbesserung und der umfassenden Evaluation von terrestrischen und ozeanischen Komponenten in Erdsystemmodellen. In diesen werden zunehmend umfassendere Darstellungen des Stickstoffzyklus an Land und im Ozean sowie Darstellungen von Permafrost und Feuchtgebieten implementiert. Zudem werden zukünftig auch Austauschprozesse an der Grenzfläche zwischen Ozean und Land untersucht. Verbesserungen für die Darstellung der Biogeochemie werden durch neue hochauflösende Komponenten erzielt werden, die es erlauben, die kleinskalige physikalische Dynamik besser darzustellen.
Das Grand Challenge Projekt wird also weniger neue Initiativen starten als vielmehr vorhandene Anstrengungen verbessern, koordinieren und durch die Zusammenarbeit aller Experten befördern, um gemeinsam die Ziele des Grand Challenge "Kohlenstoffrückkopplungen im Klimasystem" zu erreichen.
Kontakt
Dr. Tatiana Ilyina
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 164
E-Mail: tatiana.ilyina@ mpimet.mpg.de