Variabilität des Erdsystems in den letzten 8000 Jahren

Nach dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor etwa 21.000 Jahren zogen sich die großen Eismassen, die weite Teile Nordamerikas und Nordeuropas bedeckt hatten, zurück und erreichten ihre heutige Ausdehnung vor etwa 8000 bis 6000 Jahren. Der Beginn des Holozäns, der geologischen Periode, in der wir jetzt leben, wird auf etwa 11.000 Jahre vor heute datiert, nach der letzten großen Klimaschwankung im Übergang von der Eiszeit in die heutige Warmphase. Das Klima und die Klimaänderungen des Holozäns lassen sich gut aus geologischen und paläobotanischen Befunden rekonstruieren. Daher eignet sich das Holozän besser als andere geologische Perioden vorher, die Dynamik des Klimas unserer Erde mit Klimamodellen zu erforschen und zu verstehen.

Mit der Entwicklung neuer Klimamodelle und den immer mehr zunehmenden Rechenkapazitäten ist es heute möglich, transiente Modellsimulationen über mehrere tausend Jahre mit einer geographischen Detailliertheit durchzuführen, mit der auch die IPCC-Klima-Szenarien gerechnet werden. Transient bedeutet hier, dass die Modelle mit zeitlich sich ändernden Randbedingungen angetrieben werden. Es werden langsame und schnelle von außen auf das Klimasystem wirkende (externe) Antriebe unterschieden. Die solare Einstrahlung aufgrund sich ändernder Erdbahnparameter und ein schwacher CO2-Anstieg sind langsame Antriebe; Vulkane und sich kurzfristig ändernde Sonneneinstrahlung („Flackern“) sind schnelle Antriebe. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die Fragen: Welche Rolle spielen diese Antriebe für das Klima? Wie groß ist der Beitrag der verschiedenen externen Einflussfaktoren auf das Klima und wie funktioniert die Rückkopplung mit internen Komponenten des Klimasystems? Denn das Verständnis der Klimaänderungen in der Vergangenheit sind eine Möglichkeit, die Güte der Klimamodelle bei der Reproduktion verschiedener Klimate zu untersuchen und die Leistungsfähigkeit der Modelle außerhalb der aktuell heute beobachteten Klimavariabilität zu bewerten. Insbesondere die Periode des mittleren Holozäns bietet dabei die Möglichkeit, Simulationen für eine Zeit zu bewerten, in der wesentlich andere jahreszeitliche Bedingungen vorherrschten.

Die Simulationen und Modellbewertungen zur Untersuchung des Paläoklimas wurden innerhalb des Holozän-Projekts am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) durchgeführt. Beteiligt waren daran etwa zwanzig Wissenschaftler*innen aller drei Abteilungen des MPI-M, der Universität Hamburg und des Helmholtz-Zentrums für Meeresforschung in Kiel (GEOMAR). Folgende Forschungsfragen standen im Mittelpunkt:

  • Wie reagiert das Klimasystem der Erde im Holozän auf den (langsamen) orbitalen Antrieb, den (schnellen) solaren und vulkanischen Antrieb sowie den schwachen CO2-Anstieg?
  • Wie machen sich diese Antriebsfaktoren in der Klimavariabilität bemerkbar im Vergleich zur Variabilität, die das Klimasystem intern, von sich aus erzeugt?
  • Wie wirkt sich ein schneller Antrieb auf die Klimaschwankungen im Holozän aus (im Vergleich zum langsamen Antrieb)?
  • Warum ist die atmosphärische CO2-Konzentration gestiegen? Inwieweit kann die CO2-Dynamik im Holozän vorhergesagt werden?

Experimente

Den Kern der koordinierten Experimente bildeten transiente Simulationen mit dem Erdsystemmodell des MPI-M (MPI-ESM) über die Holozän-Periode der letzten 8000 Jahre. Die Experimente wurden mit relativ hoher horizontaler Auflösung über mehrere Jahrtausende gerechnet. Die horizontale Auflösung betrug 1,875° in der Atmosphäre und 12 bis 180 km im Ozean. Der Modellantrieb umfasste neueste Zusammenstellungen von rekonstruierten Antrieben des transienten holozänen Klimas: atmosphärische Treibhausgaskonzentrationen (CO2, CH4, N2O) und die stratosphärische vulkanische Aerosolverteilung, Variationen der spektralen Sonneneinstrahlung und des stratosphärischen Ozons sowie der Antrieb durch die orbitale Sonneneinstrahlung und Landnutzungsänderungen. Neben einer "Ausgangs"-Holozän-Simulation, die nur mit Orbital-, Treibhausgas- und Landnutzungsantrieb durchgeführt wurde, wurden weitere Experimente durchgeführt, bei denen Rekonstruktionen von Vulkanausbrüchen von Eisbohrkernen aus Grönland und der Antarktis sowie der solare Strahlungsantrieb während des Holozäns verwendet wurden. Um diese Experimente herum wurden verschiedene Sensitivitätsexperimente durchgeführt, um die Rolle bzw. den Beitrag einzelner antreibender Faktoren wie Erdbahnparameter, CO2 und Landnutzungsänderungen zu entschlüsseln.

Im Folgenden wird auf die Ergebnisse eingegangen, die in den Veröffentlichungen innerhalb des Holozän-Projekts von den MPI-M-Wissenschaftler*innen Dr. Jürgen Bader, Prof. Victor Brovkin und Dr. Anne Dallmeyer, und ihren Co-Autor*innen dargelegt werden (Bader et al. (2020), Brovkin et al. (2019) und Dallmeyer et al. (2020)).

Klimadynamik – Das Rätsel der globalen Temperaturentwicklung in den letzten 8000 Jahren

Bader et al. (2020)

Eines der aktuellen Themen in der Klimaforschung ist die Entwicklung der globalen Mitteltemperatur in den letzten mehreren tausend Jahren, dem Zeitraum vom sogenannten frühen und mittleren Holozän, von vor etwa 9000 bis 8000 Jahren, bis zum späten Holozän, der heutigen Zeit. Geologische Rekonstruktionen der Entwicklung der globalen mittleren Jahrestemperatur in diesem Zeitraum ergeben widersprüchliche und rätselhafte Ergebnisse. Eine Temperaturrekonstruktion, die hauptsächlich auf Ozeansedimenten basiert, zeigt warme Bedingungen im frühen bis im mittleren Holozän, gefolgt von einem Abkühlungstrend zum späten Holozän. Die andere Rekonstruktion auf der Grundlage von Pollendaten lässt jedoch eine globale Erwärmung bis etwa zum Beginn unserer Zeitrechnung erkennen.

Bader et al. (2020) haben gezeigt, dass die scheinbar gegensätzlichen Ansichten mit Hilfe von Klimamodellen in Einklang zu bringen sind. Sie nutzen die globale raum-zeitliche Temperaturvariabilität in einer transienten Holozän-Simulation über den Zeitraum von 6000 Jahre vor der heutigen Zeitrechnung bis zur vorindustriellen Epoche (1850).

Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl ein globaler Erwärmungsmodus als auch ein Abkühlungsmodus auftritt. Der Erwärmungsmodus hängt hauptsächlich mit dem kombinierten Effekt eines kleinen, aber signifikanten Anstiegs der Treibhausgase um etwa 20 ppm und dem vom Breitengrad abhängigen Trend der mittleren jährlichen orbital getriebenen Sonneneinstrahlung zusammen. Er ist in den Tropen am stärksten ausgeprägt. Der simulierte Abkühlungsmodus - ähnlich dem globalen Abkühlungstrend in einer Rekonstruktion - wird durch Veränderungen im jahreszeitlichen Zyklus des arktischen Meereises bestimmt, die durch orbitale Variationen und Vulkanausbrüche erzwungen werden. Dieser Modus betrifft vor allem die arktischen, nordatlantischen und eurasischen Regionen. Der Erwärmungsmodus dominiert im mittleren Holozän, während der Abkühlungsmodus im späten Holozän die Oberhand gewinnt. Darüber hinaus ergibt die gewichtete Summe der beiden Modi die simulierte globale Temperaturtrend-Entwicklung während des Holozäns.

Experimente mit verschiedenen externen Einflussfaktoren zeigen einen substantiellen Effekt der höherfrequenten Variabilität der externen Einflussgrößen - wie z.B. der Vulkane - auf die Trendentwicklung der globalen Temperatur im Holozän. Diese Ergebnisse liefern wertvolle Hinweise für die Interpretation geologischer Aufzeichnungen, die zur Abschätzung vergangener Klimaveränderungen dienen. Diese wiederum tragen zum Verständnis der Umweltveränderungen bei, in denen sich menschliche Zivilisationen entwickelten.

Transiente regionale Vegetationsänderungen - Das Ende der Afrikanischen Feuchtperiode

Dallmeyer et al. (2020)

Die verstärkte Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel im Sommer während des frühen und mittleren Holozäns führte zu vermehrten Niederschlägen und einer weit verbreiteten Ausbreitung der Vegetation in der Sahara während der Afrikanischen Feuchtperiode (AHP). Während Veränderungen in der atmosphärischen Dynamik während dieser Zeit ein Hauptschwerpunkt der Paläoklimamodellierungsbemühungen waren, ist der vorübergehende Charakter der Rückkehr in den jetzigen Wüstenzustand am Ende dieser Periode weniger gut verstanden. Rekonstruktionen zeigen ein räumlich und zeitlich komplexes Ende des AHP, mit einem früheren Ende im Norden als im Süden und im Osten als im Westen. Einige Aufzeichnungen deuten auf ein ziemlich abruptes Ende hin, während andere auf einen allmählichen Rückgang der Feuchtigkeitsverfügbarkeit hinweisen.

Dallmeyer et al. (2020) untersuchten das Ende des AHP mittels der vorher beschriebenen transienten Simulation mit dem MPI-ESM. Das Modell reproduziert weitgehend das in den Proxydaten ersichtliche zeitlich-vordringende Ende des AHP und deutet darauf hin, dass es auf die regional unterschiedliche Dynamik des Niederschlags zurückzuführen ist. Die Auswirkungen der wichtigsten regenbringenden Systeme, des Sommermonsuns und der außertropischen Tröge, variieren räumlich. Das führt zu heterogenen saisonalen Niederschlagszyklen, die regional unterschiedliche Reaktionen auf die Abnahme der Sonneneinstrahlung während des Holozäns erzwingen. Eine Zunahme der außertropischen Tröge, die mit der tropischen mittleren Strömung interagieren und während des mittleren Holozäns Feuchtigkeit in die Westsahara transportieren, verzögert das Ende des AHP in dieser Region. Entlang der Küste hält diese Wechselwirkung die feuchten Bedingungen länger aufrecht als weiter landeinwärts. Die Austrocknung in diesem Gebiet tritt ein, wenn diese Wechselwirkung zu schwach wird, um den Niederschlag aufrechtzuerhalten. In den niedrigeren Breiten Westafrikas, wo der Niederschlag nur durch die Dynamik des Sommermonsuns beeinflusst wird, fällt das Ende des AHP mit dem Rückzug des Monsunregengürtels zusammen. Die Modellergebnisse zeigen deutlich, dass auch die nicht-monsunale Dynamik eine wichtige Rolle bei der Bildung des Niederschlagssignals spielen kann und deshalb bei der Analyse der nordafrikanischen Niederschlagstrends nicht vernachlässigt werden sollte.

Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs – Woher kam das CO2 für den atmosphärischen CO2-Anstieg während des Holozäns?

Brovkin et al. (2019)

Die atmosphärische CO2-Konzentration stieg von 6000 vor der heutigen Zeit bis in die vorindustrielle Zeit (1850) um etwa 20 ppm an. Es wurden mehrere Hypothesen vorgeschlagen, um die Mechanismen dieses CO2-Anstiegs zu erklären, die entweder auf Kohlenstoffquellen im Ozean oder an Land beruhen. Brovkin et al. (2019) nutzen ebenfalls das Erdsystemmodell MPI-ESM-LR für zwei transiente Simulationen des Klimas und der Dynamik des Kohlenstoffkreislaufs mit allen Antrieben während dieser Periode. In der ersten Simulation wird zudem atmosphärisches CO2 aus Eisbohrkerndaten vorgeschrieben. Als Reaktion auf die wachsende atmosphärische CO2-Konzentration nimmt die Kohlenstoffspeicherung an Land bis 2000 vor unserer Zeit zu, stagniert danach und nimmt in heutiger Zeit ab, während der Ozean nach 4000 vor unserer Zeit kontinuierlich CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt. Dies führt dazu, dass am Ende der Simulation eine Quelle von 166 Petagramm (Pg) Kohlenstoff im Ozean-Land-Atmosphäre-System fehlt.

Im zweiten Experiment wurde eine CO2-Nudging-Technik angewandt, bei der die Oberflächenalkalinität des Ozeans, also das Säurebindungsvermögen an der Oberfläche, gezwungen wurde, der rekonstruierten CO2-Konzentration zu folgen, während der Kohlenstoffkreislauf interaktiv blieb. In diesem Fall ist der Ozean eine CO2-Quelle von 6000 bis 2000 vor der heutigen Zeit aufgrund einer Abnahme der Oberflächenalkalinität des Ozeans. In der vorgeschriebenen CO2-Simulation nimmt die Oberflächenalkalinität auch ab. Es reicht jedoch nicht aus, den Ozean zu einer CO2-Quelle zu machen. Die Karbonat-Ionen-Konzentration im tiefen Atlantik nimmt sowohl in der vorgeschriebenen als auch in der interaktiven CO2-Simulation ab, während die Größe der Abnahme im vorgeschriebenen CO2-Experiment im Vergleich zu den verfügbaren Proxy-Daten unterschätzt wird. Da das Land bis 2000 vor der heutigen Zeit aufgrund natürlicher Kohlenstoffkreislaufprozesse in beiden Experimenten als Kohlenstoffsenke dient, kann die fehlende Kohlenstoffquelle für Land und Atmosphäre nur dem Ozean zugeschrieben werden. Innerhalb des Modellrahmens ist ein zusätzlicher Mechanismus, wie die Abnahme der Alkalinität an der Oberfläche, z.B. durch nicht berücksichtigte Prozesse der Karbonat-Akkumulation auf Schelfen, für die Konsistenz mit den CO2-Daten des Eisbohrkerns erforderlich. Folglich stützen die Simulationen die Hypothese, dass der Ozean bis zum späten Holozän eine CO2-Quelle war, als anthropogene CO2-Quellen begannen, das atmosphärische CO2 zu beeinflussen.

Ausblick

Die Modellsimulationen zum Holozän-Projekt sind abgeschlossen. Die Auswertung wird, wie oben schon erwähnt, noch fortgesetzt. So steht eine Analyse der Änderungen der berechneten globalen Vegetationsmuster an. Im Bereich Nordafrika werden wir die vom Modell berechnete rasche, in einigen Regionen abrupte Änderung der Ausdehnung der Sahara untersuchen und mit Rekonstruktionen vergleichen.

Originalpublikationen

Bader, J., J. Jungclaus, N. Kritova, S. Lorenz, A. Maycock, T. Raddatz, H. Schmidt, M. Toohey, C.-J. Wu and M. Claußen (2020) Global temperature modes shed light on the Holocene temperature conundrum. Nature Communications.https://doi.org/10.1038/s41467-020-18478-6

Brovkin, V., S. Lorenz, T. Raddatz, T. Ilyina, I. Stemmler, M. Toohey, and M. Claussen (2019) What was the source of the atmospheric CO2 increase during the Holocene? Biogeosciences, 16, 2543-2555. https://doi.org/10.5194/bg-16-2543-2019

Dallmeyer, A., M. Claussen, S. Lorenz, and T. Shanahan (2020) The end of the African humid period as seen by a transient comprehensive Earth system model simulation of the last 8000 years. Climate of the Past, 16, 117-140. https://doi.org/10.5194/cp-16-117-2020

Kontakt

Dr. Jürgen Bader
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: juergen.bader@we dont want spammpimet.mpg.de

Prof. Dr. Victor Brovkin
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: victor.brovkin@we dont want spammpimet.mpg.de

Prof. Dr. Martin Claußen
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: martin.claussen@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Anne Dallmeyer
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: anne.dallmeyer@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Johann Jungclaus
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: johann.jungclaus@mpimet.mpg.de