Katabatische Stürme — Grönländisch ‚Piteraqs‘ genannt, was so viel bedeutet wie "Das, was einen überfällt"— können Orkanstärke erreichen und Temperaturen von weit unter -20°C. Sie entstehen, wenn sich ein Tiefdruckgebiet vor der Küste Südostgrönlands befindet, das dichte und kalte Luftmassen vom Grönländischen Eisschild durch die steilen und engen Fjorde lenkt, die dadurch beschleunigt werden und zu ausgeprägten Stürmen anwachsen. Umgekehrt können auch katabatische Winde selbst mesoskalige (~200 km Durchmesser) Tiefdruckgebiete, auch Polartiefs genannt, vor der Küste Südostgrönlands auslösen, die dann die katabatischen Winde zur Orkanstärke verstärken. Wie die Autoren zeigen, kommt noch ein weiteres Phänomen hinzu, das entscheidend zur Bildung eines Piteraqs beiträgt, nämlich das Brechen einer Bergwelle. Ähnlich wie Wellen auf der Ozeanoberfläche entstehen, bildet sich an der der Grenze der katabatischen Strömung und der darüber liegenden Luft eine Welle aus, die mehrere Kilometer steil anwachsen kann, um schließlich zu brechen, womit zusätzlich mechanische Bewegungsenergie (Impuls) in den bodennahen katabatischen Sturm übertragen wird und diesen beschleunigt.
Katabatische Stürme sind wenig untersucht und konnten aufgrund ihrer geringen räumlichen Ausdehnung bislang nur mit regionalen Atmosphärenmodellen simuliert werden. Welchen Effekt die Stürme auf den Ozean haben, konnte erst durch die Studie von Gutjahr et al. gezeigt werden. Treffen diese eisigen (unter -20°C) und trockenen Fallwinde auf den relativ warmen (-1.8° bis etwa 4°C) Ozean, erzeugt der starke Temperatur- und Feuchtegegensatz zur Ozeanoberfläche einen starken turbulenten Austausch von Energie in Form von fühlbarer und latenter Wärme und einen Eintrag von Impuls in den Ozean. Wärmeverlust und Impulseintrag erzeugen starke Turbulenz, die die oberflächennahen Wasserschichten durchmischt. Das abgekühlte Wasser wird dichter als das umgebende Wasser und sinkt in eine Tiefe von bis zu 1000 m.
Die Studie von Gutjahr et al. belegt, dass katabatische Stürme zur Bildung von dichtem Tiefenwasser in der Irmingersee beitragen und somit zur Umwälzung von Atlantikwasser, die maßgeblich durch den küstennahen Wärmeverlust beeinflusst wird. Katabatische Stürme machen in dem untersuchten Zeitraum von knapp zwei Simulationsjahren etwa 25% des Wärmeverlusts im Winter aus. Entscheidend ist jedoch die hohe Modellauflösung, die sowohl in der Atmosphäre als auch im Ozean benötigt wird, um die Bildung von katabatischen Stürmen und deren Auswirkung im Ozean simulieren zu können.
Originalveröffentlichung
Gutjahr, O., Jungclaus, J. H., Brüggemann, N., Haak, H., & Marotzke, J. (2022) Air-sea interactions and water mass transformation during a katabatic storm in the Irminger Sea. Journal of Geophysical Research: Oceans, 127, e2021JC018075. https://doi.org/10.1029/2021JC018075
Kontakt:
Dr. Oliver Gutjahr
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 153
E-Mail: oliver.gutjahr@ mpimet.mpg.de