Wellen und kohärente Strömungen in der tropischen Atmosphäre: neue Möglichkeiten, alte Herausforderungen

In einem Übersichtsartikel, der im Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society erschienen ist, stellen Dr. Claudia Stephan (Max-Planck-Institut für Meteorologie), Prof. Nedjeljka Žagar (Universität Hamburg) und Prof. Ted Shepherd (University of Reading) ihre Sicht auf das gegenwärtige Verständnis von Wellen und kohärenten Strömungen in der Atmosphäre und deren Wechselwirkung dar.

Ihr Überblick weist darauf hin, dass mit einer neuen Generation von globalen Atmosphärenmodellen auf Kilometerskala, die in der Lage sind, eine noch nie dagewesene Bandbreite von Wechselwirkungen über Skalen hinweg zu simulieren, dynamisches Neuland erkundet werden kann, ein Gebiet, das viel Hoffnung auf einen direkteren Vergleich mit Beobachtungen bietet. Dennoch wird diese neue Klasse von Simulationen immer noch systematische Fehler und Unzulänglichkeiten aufweisen und möglicherweise nicht die gesamte Bandbreite der natürlichen Variabilität abbilden. Die Herausforderung besteht also darin, zu verstehen, was wir zuverlässig aus den Modellen lernen können und was die Gründe für ihre verbleibenden systematischen Fehler und Unzulänglichkeiten sind. Insbesondere für die Anwendung auf den Klimawandel, der grundsätzlich nicht verifizierbar ist, ist die einzige solide Grundlage für Vorhersagen das physikalische Verständnis der kausalen Mechanismen.

Die Autor*innen beschreiben einige der verfügbaren Werkzeuge zur Diagnose und Untersuchung der Dynamik von Wellen, kohärenten Strömungen und der Wechselwirkungen zwischen ihnen im Hinblick auf ihre Fähigkeit, kausale Erklärungen für das Verhalten in Beobachtungen und in umfassenden Simulationsmodellen zu liefern. Sie geben einen allgemeinen Überblick über einige der wichtigsten Gleichungssysteme, die für verschiedene dynamische Regime relevant sind, und über klassische Ansätze zur Unterscheidung zwischen Wellen und kohärenten Strömungen in diesen Regimen. Solche klassischen Ansätze haben versucht, spezifische dynamische Regime auf der Grundlage der Analyse der herrschenden Gleichungen unter bestimmten vereinfachenden Annahmen zu identifizieren. Sie bilden die Grundlage für konzeptionelle Modelle der atmosphärischen Variabilität und letztlich für kausale Erklärungen ihres Verhaltens. Die Übersichtsarbeit beschreibt einige der Möglichkeiten, wie diese Konzepte zum Verständnis des atmosphärischen Verhaltens verwendet wurden, basierend auf atmosphärischen Re-Analysedaten, numerischen Modellen und Beobachtungen. Die Autor*innen führen drei Wissensstränge zusammen - großskalige Dynamik, Normalmoden und tropische Konvektion und Schwerewellen -, die historisch recht unterschiedliche Forschergemeinschaften repräsentiert haben, mit Blick auf ihre Anwendung auf die entstehende erste Generation von globalen Atmosphärenmodellen auf Kilometerskala und mit einem besonderen Fokus auf die Tropen.

Unser konzeptionelles Verständnis der atmosphärischen Dynamik ist besonders in den Tropen begrenzt, da die quasi-geostrophische Skalierung nicht mehr gilt. Die äquatorial gefangene Kelvin-Welle und die gemischte Rossby-Schwerewelle (MRG), zwei spezielle Lösungen, die von der linearen Wellentheorie bereitgestellt werden, verwischen die Unterscheidung zwischen "schneller" und "langsamer" Dynamik, die ansonsten zumindest asymptotisch in den Außertropen existiert und die so viel von der Theorie der außertropischen Dynamik untermauert. Der Artikel stellt neue Ergebnisse vor, die die Rolle der Kelvin- und MRG-Wellen im räumlich-zeitlichen Spektrum der tropischen Variabilität quantitativ abschätzen und damit die Notwendigkeit der Einbeziehung sowohl der Kelvin- als auch der MRG-Wellen in vereinfachte Modelle der Tropen deutlich machen. Auf den tropischen Mesoskalen wird das Fehlen einer sauberen Trennung der dynamischen Regime noch deutlicher im komplexen Zusammenspiel zwischen Konvektion, Schwerewellen und kohärenten Strömungen, wo "langsame" eingefangene Schwerewellen eine großräumige Einschränkung der "schnellen" konvektiven kohärenten Strömungen darstellen können. Das Fehlen einer natürlichen räumlichen Skalenseparation in den Tropen hat zu vielen theoretischen Herausforderungen geführt, aber genau aus diesem Grund sind die Tropen der Ort, an dem wir den größten Erkenntnisgewinn durch globale Kilometerskalenmodelle erwarten können.

Originalveröffentlichung:

Stephan, C., Zagar, N. & Shepherd, T. (2021) Waves and coherent flows in the tropical atmosphere: new opportunities, old challenges. Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society, https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/qj.4109

Mehr Informationen:

Website der Arbeitsgruppe "Wolken-Wellen-Kopplung" von C. Stephan

Kontakt:

Dr. Claudia Stephan
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 124
E-Mail: claudia.stephan@we dont want spammpimet.mpg.de