Was bestimmt die langzeitliche Klimavariabilität in Simulationen des Übergangs von der letzten Eis- in die heutige Warmzeit?

Der Übergang von der letzten Eiszeit (ca. 21.000 Jahre vor heute) in die heutige Warmzeit ging mit einer signifikanten Erwärmung, dem Abschmelzen großer Landeismassen und einer Reihe von abrupten Klimaänderungen einher. Anhand eines ersten systematischen Ensembles von Hindcast-Simulationen mit dem Erdsystemmodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-ESM) haben Marie Kapsch, Uwe Mikolajewicz, Clemens Schannwell (Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Meteorologie) und Florian Ziemen (jetzt am Deutschen Klimarechenzentrum) gezeigt, dass das MPI-ESM in der Lage ist, sowohl die Erwärmung als auch die abrupten Klimaänderungen des Übergangs von der letzten Eis- in die heutige Warmzeit zu simulieren. Allerdings hängt die genaue Abfolge der abrupten Klimaänderungen wesentlich von der Konfiguration der Eisschilde ab, die in den Modellläufen vorgeschrieben wird, sowie von der Methode zur Verteilung des Schmelzwassers, das durch abschmelzende Landeismassen entsteht.

In der letzten Eiszeit bedeckten große Eisschilde Teile von Nordamerika und Eurasien. Während des Übergangs zur heutigen holozänen Warmzeit schmolzen diese Eisschilde und es blieben lediglich das grönländische und antarktische Eisschild übrig. Die Modellierung dieses Übergangs mit Erdsystemmodellen ermöglicht es uns, die Klimavariabilität dieses Zeitraums zu untersuchen und die damit einhergehenden physikalischen Prozesse besser zu verstehen. Da sich die Eisschilde in diesem Zeitraum stark verändert haben, müssen sowohl die Eisschilde als auch der Schmelzwasserfluss von sich zurückziehenden Eisschilden in den Modellsimulationen vorgeschrieben werden. Hierfür können verschiedene Eisschildrekonstruktionen verwendet werden. Um die Auswirkung von Unsicherheiten in den Rekonstruktionen auf das Klima während dieser Periode zu untersuchen, haben die Autor*innen eine umfassende Reihe von Sensitivitätsexperimenten mit dem MPI-ESM durchgeführt und analysiert. Die verwendete Version des MPI-ESM wurde dafür so optimiert, dass sie wichtige Prozesse berücksichtigt, die mit sich ändernden Eisschilden einher gehen. Beispiele solcher Prozesse sind Änderungen in der Gletschermaske, Topographie und Flussrichtungen, die aufgrund von Veränderungen der Höhe und der räumlichen Ausdehnung der Eisschilde auftreten, sowie Änderungen der Tiefe des Ozeans und Land-See-Maske, welche durch die Freisetzung von Schmelzwasser von sich zurückziehenden Eisschilden und dem damit einhergehenden Meeresspiegelanstieg entstehen.

Durch den Vergleich von Simulationen mit vorgeschriebenen Eisschilden aus zwei verschiedenen Eisschildrekonstruktionen zeigen die Autor*innen, dass eine unterschiedliche Eisschildhöhe in den Rekonstruktionen zu erheblichen Unterschieden in der atmosphärischen Zirkulation bis etwa 14.000 Jahre vor heute führt. Ein hohes nordamerikanisches Eisschild führt zu einer zonaleren Ausrichtung des Jetstreams, was einen erheblichen Einfluss auf den windgetriebenen Teil der Ozeanzirkulation hat. Die Gebiete, in denen Eisschildschmelze stattfindet, sowie die Menge an Schmelzwasser werden von den Rekonstruktionen vorgegeben und führen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Amplituden der auftretenden abrupten Klimaänderungen. Diese Unterschiede bestimmen auch, ob bestimmte Klimaereignisse überhaupt auftreten, wie z. B. die Jüngere Dryaszeit (etwa 12.000 bis 11.700 Jahre vor heute), welche mit einer verstärkten Abkühlung der nördlichen Hemisphäre verbunden war (siehe Abbildung 1). Vor der Jüngeren Dryaszeit wird in den Simulationen ein Großteil des Schmelzwassers, das durch das Abschmelzen des nordamerikanischen Eisschildes entsteht, durch den Mississippi in den Golf von Mexiko geleitet. Während der Jüngeren Dryaszeit führen kleine Änderungen in der Topographie, die ebenfalls durch sich verändernde Eisschilde entstehen, zu einer Umleitung des Schmelzwassers in den MacKenzie und damit in die Arktis. Eine solche Umleitung tritt zwar in Simulationen mit beiden Eisschildrekonstruktionen auf, aber nur eine der Rekonstruktionen schreibt eine ausreichende Menge an Schmelzwasser vor, um die Ozeanzirkulation signifikant zu beeinflussen. Daher zeigt nur eine der Simulationen einen erheblichen Anstieg im Süßwassergehalt der Arktis und eine Verlangsamung der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation, die zu einer Abkühlung der nördlichen Hemisphäre führt. Andere Klimaereignisse, wie z. B. die Bølling-Allerød-Warmzeit (etwa 14.700 bis 14.200 Jahre vor heute), treten in keiner der Simulationen mit den verwendeten Randbedingungen auf. Anhand weiterer Sensitivitätsexperimente, bei denen das Schmelzwasser global homogen verteilt oder der Schmelzwassereintrag in den Ozean vollständig vernachlässigt wurde, zeigen die Autoren, dass die langzeitliche Klimavariabilität während des Übergangs von der letzten Eiszeit in die heutige Warmzeit weitestgehend vom Ort und der Menge des Schmelzwassereintrags in den Ozean bestimmt wird. Wenn das Schmelzwasser global homogen verteilt wird, kommt es zwar zu einer Verlangsamung der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation, doch diese fällt im Vergleich zum Referenzexperiment oft schwächer aus (Abbildung 1). In den Simulationen, in denen der Schmelzwasserfluss komplett vernachlässigt wird, treten keine abrupten Klimaänderungen auf.

Alle in dieser Studie vorgestellten Simulationen folgen dem Protokoll des Paläo-Modellvergleichsprojekts PMIP4 (engl. Paleo Modeling Intercomparison Project - Phase 4). Ziel von PMIP4 ist der Vergleich und die Bewertung von Simulationen verschiedener Erdsystemmodelle für eine Vielzahl unterschiedlicher Zeiträume. Um die physikalischen Prozesse während des Übergangs von der letzten Eiszeit in die heutige Warmzeit besser zu verstehen, hat PMIP4 ein Protokoll für Simulationen der letzten 21.000 Jahre erstellt, welches die Nutzung unterschiedlicher Eisschildrekonstruktionen als Randbedingungen und Methoden der Schmelzwasserverteilung zulässt. Die Autor*innen zeigen, dass die Unterschiede im Verlauf des Klimas in den Simulationen aufgrund der verschiedenen Auswahlmöglichkeiten im PMIP4 Protokoll so groß sein können wie die Klimavariabilität, die die Simulationen zu erfassen versuchen. Aufgrund technischer Beschränkungen und des erheblichen Rechenaufwandes von langzeitlichen Simulationen werden die meisten teilnehmenden Gruppen voraussichtlich nur eine kleine Auswahl der in dieser Studie vorgestellten Experimente zum PMIP4 Modellvergleich beitragen. Mit ihrer Studie wollen die Autor*innen PMIP4 dabei unterstützen, Unterschiede zwischen Modellsimulationen besser zu interpretieren. Die in dieser Studie vorgestellten Ergebnisse heben die Herausforderungen bei der Interpretation des PMIP4-Modellensembles hervor und deuten auf die Notwendigkeit eines prozessbasierten Ansatzes für den direkten Vergleich unterschiedlicher Modellläufe hin

Originalveröffentlichung:

Kapsch, M.-L., Mikolajewicz, U., Ziemen, F., und Schannwell, C. (2022) Ocean response in transient simulations of the last deglaciation dominated by underlying ice-sheet reconstruction and method of meltwater distribution. Geophysical Research Letters, 49. https://doi.org/10.1029/2021GL096767

Kontakt:

Dr. Marie-Luise Kapsch
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: marie-luise.kapsch@we dont want spammpimet.mpg.de

Uwe Mikolajewicz
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: uwe.mikolajewicz@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Florian Ziemen
Deutsches Klimarechenzentrum
E-Mail: ziemen@we dont want spamdkrz.de

Dr. Clemens Schannwell
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: clemens.schannwell@we dont want spammpimet.mpg.de

Credit: F. Ziemen, DKRZ