Vorhersage der Klimaerwärmung: Wie Wasserdampf den Strahlungseffekt von CO2 beeinflusst

In einer neuen Studie in Geophysical Research Letters zeigen Dr. Lukas Kluft, Dr. Sally Dacie und Prof. Dr. Bjorn Stevens (alle vom Max-Planck-Institut für Meteorologie) sowie Dr. Manfred Brath und Prof. Dr. Stefan A. Bühler (beide von der Universität Hamburg), dass die Nutzung eines weit verbreiteten Strahlungsmodells zu falschen Vorhersagen über die Änderung der Klimasensitivität führt.

Abbildung: L. Kluft

Die Klimasensitivität, die Erwärmung der Erdoberfläche durch eine Verdopplung der CO2-Konzentration, ist eine der Kerngrößen in der Klimaforschung. Das Gedankenexperiment der CO2-Verdopplung liefert eine einfache Kennzahl zur Beschreibung der Empfindlichkeit der Erde gegenüber Kohlendioxid. Die Kenntnis dieser Zahl ist der Schlüssel zu verlässlichen zukünftigen Klimaprojektionen. Im letzten Sachstandsbericht des IPCC wird die Klimasensitivität mit einem Bereich von 2,5 bis 4 °C angegeben. Eine besonders spannende Frage ist, wie stark diese vom aktuellen Zustand des Erdsystems abhängt. Frühere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass durch eine Zunahme der Wasserdampfrückkopplung bei höheren Temperaturen die Klimasensitivität ansteigt. Dieser Anstieg kehrt sich in vielen Modellstudien jedoch für Bodentemperaturen über 35 °C wieder um. Das bedeutet, dass die Klimasensitivität nach einem Maximum von 10 °C wieder auf einen relativ geringen Wert von ungefähr 3 °C fällt.

Anfang des Jahres konnte eine Forschergruppe aus den USA die Abnahme der Klimasensitivität mit einer stark erhöhten CO2-Konzentration begründen. Sie zeigten, dass entgegen der allgemeinen Intuition eine massive Erhöhung der CO2-Konzentration (ungefähr 10 bis 100-mal der heutigen Konzentrationen) zu einer stabilisierenden Klimarückkopplung führt, also zu einer geringeren Erwärmung. Allerdings wiesen nicht alle bisherigen Studien, die einen Rückgang der Klimasensitivität gefunden haben, auch eine erhöhte CO2-Konzentration auf.

In der vorliegenden Studie untersuchen die Autor*innen deshalb eine weitere mögliche Quelle für den Rückgang der Klimasensitivität, und zwar das verwendete Strahlungsschema. Strahlungsschemata werden in Klimamodellen verwendet, um auf effiziente Art und Weise die Strahlungsflüsse von der äußersten Schicht der Erdatmosphäre bis hinunter zur Erdoberfläche zu simulieren. Ihre Implementierung beruht dabei auf Annahmen über die Temperatur- und Feuchteverteilung sowie die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, die dem aktuellen Klima ähneln. Als Folge dessen nimmt ihre Genauigkeit ab, wenn das simulierte Klima stark von dem der Gegenwart abweicht. Aus diesem Grund vergleichen die Autor*innen das schnelle Strahlungsschema RRTMG mit dem Strahlungstransportmodell ARTS. Modelle wie ARTS betreiben einen vielfach höheren Rechenaufwand zur Berechnung der Strahlungsflüsse. Der massive Rechenaufwand führt zu genaueren Ergebnissen, verhindert jedoch den Einsatz in operationellen Klimamodellen. Jedoch können die Ergebnisse als Referenz während der Entwicklung der schnelleren Strahlungsschemata genutzt werden.

Die Autor*innen konnten herausfinden, dass die Nutzung des weit verbreiteten Strahlungsschemas RRTMG bei hohen Temperaturen zu falschen Signalen in der Klimasensitivität führt. Grund hierfür ist vermutlich ein zu enger Gültigkeitsbereich von vorgerechneten Tabellen, welche RRTMG zur Effizienzsteigerung nutzt.

Zusätzlich nutzten die Autor*innen die spektrale Auflösung des Referenzmodells ARTS dazu, um das subtile Zusammenspiel von CO2 und Wasserdampf im Kontext von atmosphärischem Strahlungstransport besser zu verstehen. Sie fanden heraus, dass insbesondere der so genannte Strahlungsantrieb, welcher durch eine Verdopplung der CO2-Konzentrationen herbeigeführt wird, stark vom Wasserdampf überlagert werden kann. Die Wissenschaftler*innen verwendeten hierfür das poetische Bild eines “Meeres aus Wasserdampf, dessen unterschiedlicher Meeresspiegel Berge von CO2 bedecken kann”. Dieses Ergebnis unterstreicht, dass ein genaues Verständnis über die Verteilung von Wasserdampf in der Atmosphäre grundlegend für eine Abschätzung der zukünftigen Erderwärmung ist.

Originalveröffentlichung:

Kluft, L., Dacie, S., Brath, M., Buehler, S. A., & Stevens, B. (2021). Temperature-dependence of the clear-sky feedback in radiative-convective equilibrium. Geophysical Research Letters, 48, e2021GL094649. https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2021GL094649

Kontakt:

Dr. Lukas Kluft
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: lukas.kluft@we dont want spammpimet.mpg.de

Prof. Dr. Bjorn Stevens
Max-Planck-Institut für Meteorologie
E-Mail: bjorn.stevens@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Manfred Brath
Universität Hamburg
Erdsystemwissenschaften, Meteorologisches Institut
E-Mail: manfred.brath@we dont want spamuni-hamburg.de

Prof. Dr. Stefan A. Bühler
Universität Hamburg
Erdsystemwissenschaften, Meteorologisches Institut
E-Mail: stefan.buehler@we dont want spamuni-hamburg.de