Tatiana Ilyina ist neue Professorin an der Universität Hamburg und am Helmholtz-Zentrum Hereon
Meldung des Exzellenzclusters "Climate, Climatic Change, and Society" (CLICCS):
Modellierung des Kohlenstoffkreislaufs im Erdsystem – Tatiana Ilyina verstärkt CLICCS und die MIN-Fakultät
Willkommen an der Uni Hamburg! Seit August ist Tatiana Ilyina Professorin für Erdsystemwissenschaften, insbesondere Modellierung des Kohlenstoffkreislaufs im Erdsystem. Neben Forschung und Lehre an der Uni Hamburg wird Ilyina auch am Helmholtz-Zentrum Hereon tätig sein. Warum sie sich für Fragen begeistert, die sich noch kaum jemand gestellt hat und welche Projekte sie angehen wird, berichtet sie im Interview.
Frau Ilyina, mit welchen Plänen starten sie Ihre Professur an der Uni Hamburg?
Über all meinen Vorhaben steht die Modellierung des Kohlenstoffkreislaufs im Erdsystem. Wissenschaftlich gibt es viel zu tun, denn: Der Klimawandel ist im Wesentlichen ein Kohlendioxid-Problem. Um dieses Problem zu lösen, brauchen wir eine schnelle und starke Dekarbonisierung. Dies erfordert ein vorausschauendes Verständnis darüber, wohin menschengemachtes CO2 gelangt. Daher wollen wir die Senken und Quellen von CO2 realistischer repräsentieren und bisherige Unsicherheiten in unseren Erdsystemmodellen verringern. Dabei steht der Ozean im Fokus, weil er das größte Kohlenstoffreservoir ist, das CO2 mit der Atmosphäre austauscht. Es gibt konkret drei Schwerpunkte, die ich weiterentwickeln werde.
Welche sind das?
Wir wollen vorhersagen, wie sich Änderungen der fossilen Kohlenstoffemissionen auf Schwankungen des CO2 in der Atmosphäre und das Klima auswirken. Wir brauchen dieses Wissen, um die Auswirkungen der Klimapolitik auf unser Erdsystem zu messen. Abhängig von natürlichen Klimaschwankungen wie zum Beispiel El Niño, können die Kohlenstoffsenken von Jahr zu Jahr stärker oder schwächer ausfallen. Dadurch können sie einen größeren oder kleineren Anteil der vom Menschen verursachten Emissionen aus der Atmosphäre entfernen. Das ist der erste Schwerpunkt.
Zudem gibt es eine weitere Herausforderung. Wir können zwar relativ gut simulieren, wie sich die Kohlenstoffsenken bei steigenden CO2-Emissionen entwickeln. Aber wir wissen kaum was passiert, wenn sich die Emissionen bei erfolgreichem Klimaschutz schnell und stark reduzieren. Diesen zweiten Schwerpunkt möchte ich in einem Projekt bei CLICCS beleuchten.
Und der dritte Schwerpunkt?
Der dreht sich um hochauflösende Erdsystemmodellierung: Selbst wenn die Modelle des ozeanischen Kohlenstoffkreislaufs perfekt wären – bräuchten sie dennoch eine realistische Abbildung der Zirkulation im Ozean. In unseren Modellen müssen auch kleinskalige Prozesse wie etwa Wirbel verarbeitet werden. Unsere Konfiguration des ICON-Modells leistet bereits Simulationen vom ozeanischen Kohlenstoffkreislauf mit einer Auflösung von etwa 5 Kilometern. Es stellt damit kleinräumige Eigenschaften der Ozeanzirkulation und Biogeochemie dar, die zuvor nicht simuliert werden konnten. Darüber hinaus eröffnet das Modell aufgrund des Fokus auf die Küstenmeere mit höherer Auflösung und detaillierterer Prozessdarstellung neue Möglichkeiten bei der Untersuchung des Land-Ozean-Übergangs. Also der Ort, an dem Menschen besonders in die Natur eingreifen.
Welche Rolle spielt der Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS bei ihrer Arbeit?
Ich bin schon seit dem Start von CLICCS mit an Bord – in den Projekten „Variabilität und Vorhersagbarkeit im Klimawandel“ und „Übergang zwischen Land und Meer“. In diesen Projekten haben wir uns auf den Ozean als Kohlenstoffsenke konzentriert und uns gefragt: Wo gibt es die größten Wissenslücken? Was sind die Prozesse, die wir unbedingt im Modell brauchen? Auf Basis dieser Erkenntnisse sind meine neuen Schwerpunkte in der Professur entstanden. Deshalb ist CLICCS sehr wichtig für meine Forschung.
Wie teilt sich Ihre Forschung auf die verschiedenen Einrichtungen auf?
Meine Professur ist eine gemeinsame Berufung von der Universität Hamburg und dem Helmholtz-Zentrum Hereon. Zwischen den Einrichtungen wird es viele Überschneidungen geben, wodurch alle von der Forschung profitieren. Am Max-Planck-Institut für Meteorologie leite ich weiterhin die Gruppe für Biogeochemie des Ozeans. Beim Aufbau meiner neuen institutionsübergreifenden Arbeitsgruppe werde ich die traditionellen Forschungsstärken dieser Einrichtungen bündeln. Mein Ziel: aktuelle Grenzen bei der Modellierung des Kohlenstoffkreislaufs im Erdsystem zu überwinden.
Fühlt sich die Uni Hamburg bereits nach Heimat an? Schließlich haben Sie hier 2006 promoviert und 2022 habilitiert.
Das tut sie. Schon 2002 bin ich nach Hamburg gekommen und habe mich sofort zuhause gefühlt. Nach der Promotion war ich als Postdoc an der Universität Hawaii, danach habe ich kurz am dänischen meteorologischen Institut gearbeitet. Währenddessen hatte ich bereits viel Kontakt mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Hamburg.
Seit fast dreizehn Jahren forsche ich nun am Max-Planck-Institut für Meteorologie. Hamburg ist der Mittelpunkt für Klimamodellierung in Deutschland. Hier sitzen das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ), das Helmholtz-Zentrum Hereon, das Max-Planck-Institut für Meteorologie und natürlich die Uni Hamburg. Dadurch kommen viele Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Gebieten zusammen. Ich bin froh, dass ich in der Hansestadt bleibe.
Bisher haben sie nicht viel gelehrt – das ändert sich nun mit ihrer Professur. Freuen Sie sich darauf?
Ich wollte Studierenden schon immer gern etwas beibringen, das mich selber fasziniert. Mich begeistert vor allem der Kohlenstoffkreislauf im Ozean, sowie seine wichtige Rolle in Ökosystemen und im Klimasystem. Diese Leidenschaft werden Studierende auch in meinen Vorlesungen und Seminaren spüren. Ich möchte den Fokus klar auf den Kohlenstoffkreislauf legen – im Kontext des Erdsystems und wie wir diesen modellieren können. Ich will zeigen, was wir wissen müssen, um frühere und zukünftige Klimaänderungen umfassend zu verstehen.
Woher kommt diese Leidenschaft?
Nach dem Kolloquium meiner Habilitation sagte mein Doktorvater, der anwesend war, zu mir: Sie haben etwas geschafft, dass vor zwanzig Jahren noch nicht möglich war. Ich finde es aufregend, neue Erkenntnisse zu gewinnen und Fragen zu beantworten, die sich bisher kaum jemand gestellt hat.
Außerdem können wir der Politik dadurch immer konkretere Handlungsempfehlungen geben. Meine Arbeitsgruppe hat beispielsweise erstmals gezeigt, dass die Änderungen von CO2-Flüssen zwischen dem Ozean und der Atmosphäre bis zu sechs Jahre und die Änderungen der atmosphärischen CO2-Konzentration bis zu zwei Jahre vorhersagbar sind. Jetzt wurden diese Vorhersagen auch in dem „Global Carbon Budget“-Bericht übernommen, in dem jährlich der weltweite CO2-Haushalt dargestellt wird. Auf solche Anerkennungen der eigenen Forschung bin ich besonders stolz.
Weitere Informationen
Meldung des Exzellenzclusters CLICCS
Arbeitsgruppe „Gekoppelte Modellierung“ im Weltklimaforschungsprogramm (WCRP)
Meldung „Tatiana Ilyina wird Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gekoppelte Modellierung im Weltklimaforschungsprogramm (WCRP)“
Kontakt
Prof. Tatiana Ilyina
Max-Planck-Institut für Meteorologie
tatiana.ilyina@ mpimet.mpg.de