Selbstregulierung der Erde schwächer als angenommen
Verschiedene Faktoren beeinflussen, wie die Oberflächentemperatur der Erde auf einen Anstieg langlebiger Treibhausgase in der Atmosphäre reagiert. Der grundlegendste Mechanismus ist, dass sich mit der Erdoberflächentemperatur auch die Rate ändert, mit der die Erde Wärme in den Weltraum abstrahlt. Diese Rückkopplung hängt unter anderem von der Bewölkung und deren möglicher Änderung durch die globale Erwärmung ab. Ihr Zahlenwert wird allerdings selbst für eine wolkenfreie Atmosphäre noch diskutiert. Dieser „clear-sky long-wave feedback parameter“ wurde bisher theoretisch abgeschätzt für eine idealisierte Atmosphäre, in der die relative Luftfeuchte auch bei Erwärmung konstant bleibt, und mithilfe von Klimamodellen bestimmt. Helene Gloeckner und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) haben diese Abschätzungen mithilfe langfristiger Beobachtungen überprüft.
„Den langwelligen Rückkopplungsparameter mithilfe von Beobachtungen zu bestimmen, ist herausfordernd, da tägliche Änderungen in der Bewölkung oder Luftfeuchtigkeit ihn stark beeinflussen“, erklärt Gloeckner. Es braucht daher Konsistenz verschiedener Messungen über ausreichend lange Zeiträume, um den Parameter aus Beobachtungen abschätzen zu können.
Ableitung der Rückkopplungsstärke aus Reanalyse-Daten
Das MPI-M-Team nahm drei sogenannten Reanalyse-Datensätze der Jahre 1993 bis 2023 zur Grundlage. Diese kombinieren Wettermodelle und Beobachtungen, um eine konsistente Beschreibung des Atmosphärenzustands über lange Zeiträume zu liefern. Das Team betrachtete Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen in den Reanalysen und berechnete die damit zusammenhängenden Schwankungen der abgestrahlten Energie. Das Ergebnis unterscheidet sich, je nachdem, ob die Forschenden saisonale Schwankungen oder Jahr-zu-Jahr-Schwankungen betrachteten – vor allem vor 2008. Danach stimmen diese beiden Werte sowie auch die Werte zwischen den drei Datensätzen deutlich besser überein, was die Wissenschaftler*innen verbesserten satellitenbasierten Messinstrumenten zuschreiben, welche in den Reanalysen einbezogen werden.
Das MPI-M-Team kommt zu dem Ergebnis, dass der berechnete Durchschnittswert für den langwelligen Rückkopplungsparameter bei wolkenlosem Himmel um 10 bis 20 Prozent niedriger liegt als für eine Atmosphäre mit konstanter relativer Luftfeuchte vorhergesagt. „Das bedeutet, dass die Erde empfindlicher auf Strahlungsantriebe reagiert als bislang angenommen“, sagt Gloeckner.
Die Forschenden zeigen außerdem, dass in den Schwankungen von Jahr zu Jahr, welche mit dem Phänomen „El Niño-Southern Oscillation“ verbunden sind, ein Zusammenhang zwischen Erwärmung und Austrocknung besteht. Ohne diese Korrelation – also im Fall konstanter relativer Luftfeuchte – wäre das berechnete Feedback sogar noch geringer. Den Wissenschaftler*innen zufolge ist es notwendig, die Feuchteschwankungen in der Atmosphäre weiter langfristig zu beobachten und aufzuklären, warum Beobachtungen und Theorie zu unterschiedlichen berechneten Rückkopplungsstärken führen.
Originalpublikation
Gloeckner, H. M., Kluft, L., Schmidt, H., & Stevens, B. Estimates of the global clear‐sky longwave radiative feedback strength from reanalysis data. Geophysical Research Letters, 52, e2024GL113495 (2025). doi.org/10.1029/2024GL113495
Kontakt
Helene Gloeckner
Max-Planck-Institut für Meteorologie
helene.gloeckner@mpimet.mpg.de