Entwicklung eines hochauflösenden Erdsystemmodells und Anwendung im CMIP6

Komplexe Erdsystemmodelle wie das Modell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-ESM) haben für Klimaanwendungen eine stark reduzierte Auflösung. Die Erhöhung der Auflösung in einem gekoppelten Modell führt einerseits zu einer verbesserten Dynamik der Atmosphäre und des Ozeans und reduziert Fehler bei Mittelwerten und in der Variabilität vieler meteorologischer und ozeanografischer Größen. Zum Beispiel verbessern sich blockierende Wetterlage oder die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete. Andererseits ergeben sich bei der Erhöhung der Auflösung auch oft unvorhergesehene Probleme, wie zum Beispiel eine nur sehr schwache atlantische Umwälzzirkulation (AMOC), die eine wichtige Größe im atlantisch-arktischen Klimasystem darstellt. Ein stabiles gekoppeltes Klimamodell kann nur erreicht werden, wenn beide Kompartimente im Klimasystem - die Atmosphäre und der Ozean - bei einer Erhöhung der Modellauflösung berücksichtigt werden. Unter Leitung von Dr. Wolfgang Müller, Gruppenleiter am MPI-M in der Abteilung "Ozean im Erdsystem", wurde in gemeinsamer Arbeit mit seinen Kollegen eine hochauflösende Version des MPI-ESM1.2 mit stabilem gekoppelten Klima entwickelt (MPI-ESM-HR; Müller et al., 2017), das auch für die nächste Generation von saisonalen und dekadischen Vorhersagen genutzt werden wird. Zusammen mit einer weiteren Version des MPI-ESM1.2 in niedriger Auflösung (MPI-ESM-LR) und einer niedrigen Auflösung des neuen Erdsystemmodells ICON (MPI-ESM2) stellt sich das MPI-ESM-HR dem aktuellen weltweiten Vergleich gekoppelter Klimamodelle (CMIP6 - Coupled Model Intercomparison Project Phase 6). Die CMIP6-Aktivitäten am MPI-M werden wissenschaftlich und technisch von Dr. Matthias Bittner und Karl-Hermann Wieners koordiniert.

Entwicklung einer hochauflösenden Version des MPI-ESM1.2 (MPI-ESM-HR)

Abbildung: Häufigkeit blockierender Wetterlagen
Abb. 1: Häufigkeit blockierender Wetterlagen für den Sommer (JJA) für (a) ERA-Interim, (b) MPI-ESM1.2-LR und (c) MPI-ESM1.2-HR. Gezeigt wird der prozentuale Anteil von Blockingtagen pro Jahreszeit. Die Ergebnisse für MPI-ESM1.2-LR und MPI-ESM1.2-HR basieren auf einem Ensemblemittel für den Zeitraum 1979-2005. Die Einheit ist [%].

Dr. Wolfgang Müller leitet die Gruppe "Mittelfristige Klimaprognosen", deren Ziel es ist, ein globales System für Klimavorhersagen für einen Zeitraum von 1-10 Jahren zu entwickeln. Die Gruppe ist Teil des bundesweiten Projektes MiKlip, welches die wissenschaftliche Grundlagenforschung dekadischer Klimavorhersagen fördert sowie die dekadischen Vorhersagen in den operationellen Betrieb beim Deutschen Wetterdienst führt. Für die Beschreibung der physikalischen Prozesse sowie deren Anwendung im Bereich dekadischer Klimavorhersagen ist eine Erhöhung der Modellauflösung notwendig und damit die Entwicklung von MPI-ESM-HR ein wichtiger Schritt.

Das MPI-ESM-HR hat eine horizontale Auflösung für seine atmosphärischen Komponenten von ca 100 km. Seine Vorgängerversion, die für CMIP5 genutzt wurde, hatte eine Auflösung von ca. 200 km. Die Folgen der Auflösungserhöhung im MPI-ESM1 (ECHAM) wurden in einigen Atmosphärenmodellvergleichen (AMIP) dokumentiert [Hertwig et al., 2015].

Das MPI-ESM-HR wurde nun in einem langwierigen Verfahren hinsichtlich vieler Kriterien des gekoppelten Klimas (Strahlungsbudget, atmosphärische und ozeanische Zirkulation, Meereis, Ozean-Biochemie, Klimasensitivität) abgestimmt. Das Modell wurde hierfür über mehrere tausend Modelljahre laufen gelassen und die notwendigen Parameter angepasst. Herausgekommen ist eine in der Strahlung ausbalancierte Version mit respektablen Werten des mittleren Klimazustandes und klassischen Ozeanströmungen, wie der Atlantischen Umwälzzirkulation, die sich auf einem stabilen Niveau von 17 Sverdrup (bei 26°N und in 1000 m Tiefe) befindet, und den Abschätzungen der Beobachtungen entsprechen.

Das MPI-ESM-HR zeichnet sich im Vergleich zum MPI-ESM-LR vor allem durch eine Verbesserung der atmosphärischen Dynamik aus. Dies zeigt sich für die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete und blockierende Wetterlagen über der nordatlantisch-europäischen Region. Die Abbildung 1 zeigt beispielsweise den prozentualen Anteil blockierender Wetterlagen im Sommer für Europa. Blockierende Wetterlagen sind im Sommer mitunter für Hitzewellen in Europa verantwortlich. Deren Häufigkeit wird in gekoppelten Klimamodellen allerdings noch deutlich unterschätzt, was auch an den relativ niedrigen Auflösungen liegt. In unserem Beispiel ist klar zu erkennen, dass die Anzahl der blockierenden Wetterlagen mit Erhöhung der atmosphärischen Auflösung verbessert werden kann. Eine ähnliche Entwicklung, wenn auch weniger deutlich, ist für die Wintermonate feststellbar. Nichtsdestoweniger bleiben die Abweichungen gegenüber den Beobachtungen weiterhin erheblich und weisen darauf hin, dass eine weitere Erhöhung der Auflösung notwendig ist.

Der Beitrag des MPI-M zu CMIP6

Das MPI-ESM-HR ist eines der Modelle, mit dem das MPI-M am internationalen Modellvergleich CMIP6 teilnimmt (Eyring et al., 2016). Bezugnehmend auf die "Grand Science Challenges" des World Climate Research Program (WCRP), versucht CMIP6 drei weitgefasste Fragen zu beantworten: (i) wie reagiert das Erdsystem auf Antriebe/Störungen (ii) was sind die Ursprünge und Konsequenzen von systematischen Modellabweichungen und (iii) wie kann man zukünftige Klimaänderungen bei gegebener Klimavariabilität, Vorhersagbarkeit und Unsicherheit abschätzen?

Um diese Fragen systematisch zu beantworten, besteht CMIP6 aus drei Hauptelementen (Abbildung 2): Erstens, aus einer geringen Anzahl an Standardexperimenten, dem DECK (Diagnostic, Evaluation and Characterization of Klima experiments) und historischen Simulationen von 1850 bis in die Gegenwart. Das DECK besteht aus einem Kontrollexperiment mit konstanten Randbedingungen, aus idealisierten Klimaänderungsexperimenten und einer AMIP-Simulation von 1979 bis 2015, bei der die Temperatur- und Meereisänderungen aus Beobachtungsdaten vorgeschrieben werden. Diese DECK Simulationen dienen zur Evaluationen und Charakterisierung des Modells und ermöglichen systematische Vergleiche grundlegender Modellklimaeigenschaften verschiedener Erdsystemmodelle. Zweitens, aus vorgeschriebenen Datenformaten und gemeinschaftlicher Datenspeicherung und Dokumentation der Experimente, um die internationale Verteilung der Modellergebnisse und deren Bewertung zu erleichtern. Und drittens, aus weiterführenden Experimenten von CMIP6-unterstützenden Modellvergleichsprojekten (MIPs) zu spezifischen Fragestellungen. In diesen Projekten wird detailliert eine bestimmte Fragestellung im Zusammenhang mit den drei weitgefassten Fragen von CMIP6 untersucht.

Wissenschaftler des MPI-M sind in 17 der insgesamt 21 verschiedenen MIPs involviert (Abbildung 2), vielfach in führender Rolle bei der Formulierung der wissenschaftlichen Leitfragen und des Experimentdesigns. Beispielhaft aus den drei Abteilungen des MPI-M seien hier das Decadal Climate Prediction Project (DCPP), das Radiative Forcing MIP (RFMIP) und das Coupled-Climate Carbon Cycle MIP (C4MIP) genannt. DCPP (Boer et al., 2016) wird am MPI-M von Dr. Wolfgang Müller koordiniert und befasst sich mit der Vorhersage von Klimazuständen auf dekadischen Zeitskalen, wobei insbesondere das MPI-ESM-HR Anwendung findet. Hierbei werden retrospektive Vorhersagen des vergangenen Jahrhunderts (sogenannte Hindcasts) gerechnet, um sowohl die Grenzen der Vorhersagbarkeit unter der gegebenen internen Klimavariabilität als auch tatsächliche Vorhersagen kommender Dekaden zu untersuchen, um so eine Grundlage für die operationelle Anwendung solcher Rechnungen zu schaffen. Prof. Dr. Bjorn Stevens und Dr. Stephanie Fiedler aus der Abteilung "Atmosphäre im Erdsystem" sind verantwortlich für RFMIP (Pincus et al., 2016), welches sich mit der Charakterisierung des effektiven Strahlungsantriebes und dessen Unsicherheit beschäftigt, um unter anderem die Genauigkeit von Strahlungsflussparametrisierungen in Klimamodellen zu beurteilen. Der Kohlenstoffkreislauf und dessen Beschreibung in Klimamodellen ist im Fokus von C4MIP (Jones et al., 2016), welches am MPI-M von Prof. Dr. Victor Brovkin, Dr. Tatiana Ilyina, Dr. Julia Pongratz und Dr. Thomas Raddatz, Wissenschaftler in den Abteilungen "Land im Erdsystem" und "Ozean im Erdsystem", durchgeführt wird. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, in wieweit Rückkopplung und Interaktionen im Kohlenstoffkreislauf den Verbleib des anthropogenen CO2-Anteils im Erdsystem beeinflussen können, was großen Einfluss auf die Emissionsziele zur Stabilisierung des globalen Klimas haben kann.

Neben dem bereits beschriebenen MPI-ESM-HR, welches in den historischen Simulationen sowie in den MIPs mit Fokus auf Klimaprojektionen (ScenarioMIP) und dekadischer Vorhersagbarkeit Anwendung findet, wird auch eine niedriger aufgelöste Modellversion des MPI-ESM1.2 (MPI-ESM-LR) in CMIP6 benutzt werden. Das MPI-ESM-LR ist insbesondere bei den MIPs von Interesse, die sehr viele Simulationsjahre rechnen müssen, was aufgrund der niedrigeren Auflösung möglich ist. Zudem sind der Kohlenstoff- sowie der Stickstoffkreislauf implementiert und Vegetationsänderungen werden dynamisch berechnet, weswegen das MPI-ESM-LR auch in MIPs mit Interesse in Landprozessen (LUMIP, LS3MIP) eingesetzt wird. Zusätzlich wird auch das neue, auf ICON basierende Erdsystemmodell MPI-ESM2 in CMIP6 zum Einsatz kommen. Damit ergibt sich die Möglichkeit, das neue MPI-ESM2 mit den existierenden Klimamodellen zu vergleichen und von vielen Wissenschaftlern weltweit evaluieren zu lassen.

Ein wichtiger Partner des MPI-M ist in diesem Zusammenhang das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ). In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt unter Führung des DKRZs ist das MPI-M mit anderen nationalen Wissenschaftseinrichtungen für den deutschen Beitrag zum sechsten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) verantwortlich. Hierbei werden unter anderem Szenariensimulationen zur Abschätzung des zukünftigen Klimawandels mit dem MPI-ESM-HR durchgeführt.

Literatur

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Hertwig, E., J.-S. von Storch, D. Handorf, K. Dethloff, I. Fast, and T. Krismer (2015), Effect of horizontal resolution on ECHAM6-AMIP performance, Clim. Dyn., 45 (1), 185-211.

Jungclaus, J. H., N. Fischer, H. Haak, K. Lohmann, J. Marotzke, D. Matei, U. Mikolajewicz, D. Notz, and J. S. von Storch (2013), Characteristics of the ocean simulations in MPIOM, the ocean component of the MPI-Earth System Model, J. Adv. Model. Earth Syst., doi:10.1002/jame.20023

Müller, W. A., et al. (2017), A high resolution version of the Max Planck Institute Earth System Model (MPI-ESM1.2-HR), JAMES (in preparation/submitted)

Boer, G. J., Smith, D. M., Cassou, C., Doblas-Reyes, F., Danabasoglu, G., Kirtman, B., Kushnir, Y., Kimoto, M., Meehl, G. A., Msadek, R., Mueller, W. A., Taylor, K. E., Zwiers, F., Rixen, M., Ruprich-Robert, Y. and Eade, R.: The Decadal Climate Prediction Project (DCPP) contribution to CMIP6, Geosci. Model Dev., 9(10), 3751-3777, doi:10.5194/gmd-9-3751-2016, 2016.

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Jones, C. D., Arora, V., Friedlingstein, P., Bopp, L., Brovkin, V., Dunne, J., Graven, H., Hoffman, F., Ilyina, T., John, J. G., Jung, M., Kawamiya, M., Koven, C., Pongratz, J., Raddatz, T., Randerson, J. T. and Zaehle, S.: C4MIP - The Coupled Climate-Carbon Cycle Model Intercomparison Project: experimental protocol for CMIP6, Geosci. Model Dev., 9(8), 2853-2880, doi:10.5194/gmd-9-2853-2016, 2016.

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Lawrence, D. M., Hurtt, G. C., Arneth, A., Brovkin, V., Calvin, K. V., Jones, A. D., Jones, C. D., Lawrence, P. J., de Noblet-Ducoudré, N., Pongratz, J., Seneviratne, S. I., and Shevliakova, E.: The Land Use Model Intercomparison Project (LUMIP) contribution to CMIP6: rationale and experimental design, Geosci. Model Dev., 9, 2973-2998, doi.org/10.5194/gmd-9-2973-2016, 2016.

Weitere Informationen

Kontakt

Dr. Wolfgang Müller
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 370
E-Mail: wolfgang.mueller@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Matthias Bittner
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 466
E-Mail: matthias.bittner@we dont want spammpimet.mpg.de