Tropisches Windsystem in der oberen Atmosphäre erstmals explizit simuliert
Das Wetter spielt sich in der untersten Schicht der Atmosphäre ab, wird aber auch stark von dem beeinflusst, was in höheren Schichten passiert. Trotzdem simulieren viele Klimamodelle die dort auftretenden Phänomene nur unzureichend, was zu erheblichen Unsicherheiten führt. Ein Beispiel ist die quasi-zweijährige Schwingung (QBO) in der tropischen Stratosphäre, also in rund 17 bis 35 Kilometern Höhe. Dieses Phänomen äußert sich in einem Muster wechselnder Windrichtung, das sich von oben nach unten durch die Stratosphäre bewegt. So kommt es, dass dort der Wind phasenweise stark aus dem Osten und dann wieder aus dem Westen weht. Die dominante Windrichtung wechselt alle 22 bis 34 Monate von West nach Ost und wieder zurück nach West, weshalb die Oszillation als „quasi-zweijährig“ bezeichnet wird.
Obwohl sie sich in den Tropen befindet, kann die QBO die Witterung in vielen Teilen des Globus beeinflussen. So sind Ostwindphasen der QBO tendenziell mit kälteren Wintermonaten im Osten der USA und Nordeuropa verbunden, während die Westwindphasen eher mildere Winter bescheren. Zudem beeinflusst die QBO die Regenmengen und deren Verteilung in den Tropen. Angetrieben wird die QBO durch atmosphärische Wellen, die sich in der tropischen Troposphäre bilden, also dem unteren Teil der Atmosphäre in der Nähe des Äquators. Doch die Prozesse, die zur Bildung dieser Wellen führen, sowie ein Teil der Wellen selbst sind in Klimamodellen in der Regel nicht aufgelöst. Das Gleiche gilt für die Art und Weise, wie solche Wellen die QBO beeinflussen können, sobald sie die tropische Stratosphäre erreicht haben. Der Einfluss vieler dieser Wellen wird bislang nur in Form von sogenannten Parametrisierungen berücksichtigt. Das bedeutet, dass diese Prozesse lediglich anhand von vereinfachten physikalischen Modellen abgebildet, die ihnen zugrunde liegenden physikalischen Mechanismen jedoch nicht explizit simuliert werden. Unterschiedliche Modelle liefern deshalb hinsichtlich der QBO stark unterschiedliche Ergebnisse. Damit ist es bislang auch schwierig vorherzusagen, wie sich die QBO im Zuge der globalen Erwärmung verändern wird.
Erste explizite Simulation QBO-ähnlicher Winde
Henning Franke und Marco Giorgetta vom Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) ist es nun erstmals gelungen, QBO-ähnliche Winde über einen Zeitraum von zwei Jahren direkt zu simulieren. Dies bedeutet, dass sie die antreibenden Prozesse der QBO explizit, d.h. physikalisch, und nicht mehr mithilfe von Parametrisierungen darstellten. Um dies zu ermöglichen, nutzten sie das Klimamodell ICON mit einer Auflösung von fünf Kilometern in der Horizontalen und vertikalen Schritten von 350 bis 560 Metern in der Stratosphäre. Die beiden Wissenschaftler zeigten, dass diese Herangehensweise funktioniert.
„Die Ergebnisse sind wirklich ermutigend“, sagt Erstautor Henning Franke. „Unsere Simulation gibt zwar noch keinen geschlossenen Zyklus der QBO und auch noch nicht alle Details wieder. Da diese Simulation die allererste ihrer Art war, war dies aber auch noch nicht unbedingt zu erwarten.“ Wahrscheinlich seien Schwächen in der Simulation der QBO auf Schwächen in der Simulation ihrer in der Troposphäre liegenden Antriebe zurückzuführen, insbesondere auf die mangelnde Organisation von tropischer tiefer Konvektion in großskalige atmosphärische Wellen. Umgekehrt bedeutet das: Eine genauere Darstellung der tiefen Konvektion in der Troposphäre dürfte auch die Simulation der QBO verbessern. Dieses Ergebnis unterstreicht einmal mehr, wie wichtig und dringend die gruppenübergreifenden Anstrengungen des MPI-M sind, tiefe Konvektion in den Tropen besser zu verstehen und ihre Darstellung in Klimamodellen zu verbessern.
Originalpublikation
Franke, H., & Giorgetta, M. A. (2024). Toward the direct simulation of the quasi‐ biennial oscillation in a global storm‐ resolving model. Journal of Advances in Modeling Earth Systems, 16, e2024MS004381. https://doi.org/10.1029/ 2024MS004381
Kontakt
Dr. Henning Franke
Max-Planck-Institut für Meteorologie
henning.franke@mpimet.mpg.de
Dr. Marco Giorgetta
Max-Planck-Institut für Meteorologie
marco.giorgetta@mpimet.mpg.de