Was passiert, wenn eine Schneeball-Erde schmilzt?
In seiner erdgeschichtlichen Vergangenheit durchlief unser Planet mehrere Perioden der globalen Vereisung. Die beiden bekanntesten dieser Perioden sind die Sturtische und die Marinoische Schneeball-Erde, die in einem Zeitraum vor 720 bis 635 Millionen Jahren stattfanden und jeweils mehrere Millionen Jahre andauerten. Während einer Schneeball-Erde reichert sich CO2 in der Atmosphäre durch konstante vulkanische Ausgasungen an, bis der Treibhauseffekt schließlich so stark wird, dass das Eis in den Tropen zu schmelzen beginnt und ein dramatischer Übergang zu einem viel wärmeren Klima einsetzt. Während die Entstehung einer Schneeball-Erde und die Prozesse, die zu ihrem Schmelzen führen, relativ gut untersucht sind, wurde die Zeit nach der Schneeball-Erde noch nie mit einem gekoppelten Erdsystemmodell untersucht. In ihrer neuen Publikation bauen die drei Autor*innen auf einer früheren Veröffentlichung auf, die sich auf die Ozeandynamik konzentrierte (Ramme und Marotzke, 2022), indem sie nun das Ozean-Biogeochemie Modell HAMOCC und einen interaktiven Kohlenstoffkreislauf einbeziehen. Damit ist es erstmals möglich, das dynamische Zusammenspiel zwischen Klima, Ozeanzirkulation und Kohlenstoffkreislauf nach einer Schneeball-Erde zu untersuchen.
Die MPI-M Autor*innen stellen fest, dass der Ozean die Entwicklung des Klimas nach einer Schneeball-Erde über fünf verschiedene Mechanismen steuert, die in der bisherigen Literatur nicht berücksichtigt wurden. Bei diesen Mechanismen handelt es sich um den massiven Zufluss von Schmelzwasser während des Schmelzvorgangs, den Ausgleich eines möglichen Ungleichgewichts zwischen den Kohlenstoffreservoiren von Atmosphäre und Ozean, das Wiederauftreten biologischer Aktivität, die allgemeine Erwärmung des Ozeans und schließlich die anorganische Bildung von Karbonatgesteinen aus einem alkalischen Ozean. Welcher dieser Prozesse dominiert, hängt jedoch von den unbekannten chemischen Bedingungen zu Beginn des Schmelzvorgangs ab (Abb. 1). Insbesondere war das Supertreibhausklima nicht unbedingt stabil und heiß über Hunderttausende von Jahren hinweg. Es ist auch möglich, dass die Temperaturen im Supertreibhausklima noch moderat waren und vielleicht sogar schnell (also auf einer Zeitskala von wenigen tausend Jahren) abfielen.
Diese Studie, die auch die erste wissenschaftliche Anwendung von ICON in seinem Setup als vollständig gekoppeltes Erdsystemmodell (ICON-ESM, Jungclaus et al., 2022) darstellt, gibt neue Einblicke in die klimatischen Bedingungen nach der Marinoanischen Schneeball-Erde vor 635 Millionen Jahren. In dieser Zeit wurden wichtige Meilensteine in der Entwicklung des Erdsystems erreicht, wie das erste verbreitete Auftreten von mehrzelligem Leben und die Anreicherung der Atmosphäre mit Sauerstoff auf nahezu heutiges Niveau. Bisher wurden die extremen Temperaturen im Supertreibhausklima als Bedrohung für die bereits existierenden Lebensformen dieser Zeit angesehen, doch die neue Studie stellt die Extremität der Temperaturen nun in Frage. Künftige Arbeiten könnten zum Beispiel geologische Daten mit den Ergebnissen dieser Studie kombinieren, um die klimatischen Bedingungen während dieser Zeit besser einzugrenzen und zu untersuchen, wie sie die Entwicklung des Lebens und des Erdsystems beeinflusst haben könnten.
Originalpublikation
Ramme, L., Ilyina, T. & Marotzke, J. Moderate greenhouse climate and rapid carbonate formation after Marinoan snowball Earth. Nat Commun 15, 3571 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-47873-6
Kontakt
Dr. Lennart Ramme
Max-Planck-Institut für Meteorologie
lennart.ramme@ mpimet.mpg.de
Prof. Dr. Jochem Marotzke
Max-Planck-Institut für Meteorologie
jochem.marotzke@mpimet.mpg.de
Prof. Dr. Tatiana Ilyina
Universität Hamburg / Max-Planck-Institut für Meteorologie
tatiana.ilyina@ uni-hamburg.de