Und die Schäfchenwolken bleiben doch!
Dicke Baumwollhaufen oder Stapel von Schafwolle, die sich großzügig über das strahlende Blau legen: Am Himmel über den subtropischen Ozeanen wimmelt es von Schäfchenwolken. Ein näherer Forschungsblick lohnt, denn diese Quellwolken, die sich über eine Höhe von etwa 700 bis 2000 Meter über der Meeresoberfläche erstrecken, reflektieren die Strahlungsenergie der Sonne und dämpfen so die Erwärmung der Erdoberfläche durch die Sonne. Und dieser Schutz ist nicht zu vernachlässigen: Schließlich bedecken genau diese Wolken mehr als 30 Prozent der Passatwindzone, welche ein Fünftel der Erde umspannt.
Frühere Untersuchungen deuteten darauf hin, dass ausgerechnet diese Wolken durch die Erwärmung abnehmen würden: Man ging davon aus, dass sie empfindlich auf Veränderungen in der Durchmischung reagieren, die bei Erwärmung der Meere zu ihrer Auflösung führen würden. So jedenfalls hatten einige Klimamodelle es vorausgesagt.
Aber stimmt dies auch so? Ein Team von Nachwuchsforscher*innen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) in Hamburg und dem Laboratoire de Météorologie Dynamique (LMD) in Paris leitete die Analyse der während EUREC4A gewonnen Daten. Sie wollten testen, ob sich die Natur anders verhält als unsere Modelle, und dass die Wolken durch die Erwärmung nicht abnehmen. Stattdessen stellten sie fest, dass die Bewölkung größtenteils durch mesoskalige Bewegungen (hier sind Längenskalen von etwa 200 Kilometern gemeint) unterstützt wird, die in den Klimamodellen nicht berücksichtigt werden.
Erste Werte überhaupt – Modell und Messung
Einige Klimamodelle sagen voraus, dass die Passat-Quellwolken deutlich abnehmen: Wenn es wärmer wird, transportieren die Wolken mehr Feuchtigkeit in höhere Luftschichten. Umgekehrt sinkt trockenere Luft von oben herab. Die absolute Feuchtigkeit insgesamt nimmt zwar zu, aber die relative Feuchtigkeit in den untersten Luftschichten nahe der Wolkenunterkante würde so abnehmen. Dies stellt ein weniger günstiges Umfeld für die Wolkenbildung dar. Und wenn die Bewölkung insgesamt abnimmt, wird insgesamt weniger Sonnenlicht reflektiert. Dies führt zu einer stärkeren Erwärmung, einer stärkeren durchmischungsbedingten Austrocknung, noch weniger Wolken und so weiter. Klimamodelle, die bei steigenden CO2-Werten eine überdurchschnittliche Erwärmung vorhersagten, neigten dazu, diese Hypothese der „Austrocknung durch Vermischung“ deutlicher zu zeigen als Modelle, die eine geringere Erwärmung vorhersagten.
Internationale Zusammenarbeit – Der Rahmen
Im Februar 2020 fand vom karibischen Barbados aus die deutsch-französische-barbadische Messkampagne „EUREC4A“ statt. Konzipiert und geleitet wurde sie von Prof. Bjorn Stevens, Geschäftsführender Direktor am MPI-M, und Dr. Sandrine Bony, Forschungsdirektorin am LMD in Paris. Die Messkampagne sollte die Ideen überprüfen, die auf Analysen zurückgehen, die von ihren jeweiligen Gruppen in den Jahren 2013 und 2014 veröffentlicht wurden. Aufbauend auf einer nunmehr zwölfjährigen Zusammenarbeit zwischen dem MPI-M und dem Caribbean Institute for Meteorology and Hydrology (CIMH) unter der Leitung von Dr. David Farrell sowie einer Reihe früherer Feldkampagnen entwickelten die Forscher*innen und ihre Teams die Methoden, die benötigt wurden, damit EUREC4A die Hypothese der „Austrocknung durch Vermischung“ erfolgreich überprüfen konnte.
Wolken in 3D – „Tandem“-Messung im Flug
Mit vor Ort auf Barbados waren zwei Nachwuchswissenschaftler*innen des MPI-M: Dr. Geet George, der damals mit Prof. Bjorn Stevens an seiner Dissertation arbeitete, und Dr. Raphaela Vogel, die nach Abschluss ihrer Promotion am MPI-M nach Paris gezogen war, um als Postdoktorandin im Team von Dr. Bony am LMD zu arbeiten. Heute ist sie Wissenschaftlerin an der Universität Hamburg. „Wir haben die erste Realmessung überhaupt gemacht, um die Hypothese zu testen“, sagt Dr. Vogel. Ein Datenschatz, der die bisherige Annahme zum Verhalten subtropischer Quellwolken kippt.
Um etwas über die flächige Wolkenzirkulation auf der Mesoskala sagen zu können, „muss man gleichzeitig die Umgebungsbedingungen aus der Höhe und die Wolken an ihrer Basis vermessen. Dafür ist es hilfreich, zwei Flugzeuge zu haben“, erläutert Dr. George.
So flog der deutsche Forschungsflieger HALO in einer Höhe von 10.000 Metern. Die Daten wurden mithilfe von Sonden gewonnen, abgeworfen durch einen Schacht im Flugzeug – der Kampagnenposten von Dr. Geet George. „Während der Flüge war ich im hinteren Teil des Flugzeugs damit beschäftigt, die an einem Fallschirm hängenden Sensorpakete abzusetzen – sogenannte Dropsonden“, beschreibt er die Flugtage vor Ort. Während die Dropsonden durch die Wolkenschicht zum Boden sinken, funken sie die Umgebungstemperatur, die Luftfeuchtigkeit und ihre Position an das Flugzeug zurück, wo alles aufgezeichnet wird.
Das französische Forschungsflugzeug ATR-42 setzte eine neu entwickelte Technik ein, um die Wolkenbasis waagerecht zu „durchleuchten“. Dazu wurden gepulste Radio- und Lichtstrahlen ausgesandt, die von Wolkentröpfchen zurückgestreut werden. Die rückgestreute Strahlung erlaubt Rückschlüsse über das Vorkommen von Wolken und Regen. Insgesamt waren während der Feldstudie fünf Forschungsflugzeuge, vier Forschungsschiffe und innovative bodengestützte Fernerkundung im Einsatz.
Was geht rein, was raus? – Schlüsse aus der Massenbilanz
Von besonderem Interesse war die Luftdurchmischung in den Wolken. Das Fluggebiet war mit etwa 200 Kilometern Durchmesser zu groß, um diese direkt zu messen. So war ein alternativer, indirekter Ansatz gefragt. Dieser wurde von Dr. Bony und Prof. Stevens vorgeschlagen und zunächst anhand von Daten aus einer vorbereitenden Messkampagne im Jahr 2016 getestet. Dr. Vogel verfeinerte den Ansatz mit Hilfe detaillierter strömungsdynamischer Simulationen, die sie zu Beginn ihrer Postdoc-Zeit am LMD erstellte und analysierte. „Wir haben die Dicke der untersten atmosphärischen Schicht bestimmt, also unterhalb der Wolkenunterkante, sowie alle Größen, die diese Dicke ändern können. Dabei haben wir uns darauf konzentriert, wie sich die mesoskalige Zirkulation und das Einmischen warmer, trockenere Luft von weiter oben auswirkt: Also was geht in die Wolkenunterschicht rein und was raus. Aus dieser Massenbilanz lässt sich schließlich die Stärke der Konvektion bestimmen: Geht mehr rein als raus, steigt mehr Luft in den Wolken auf. Sonst ist es weniger“, erklärt Dr. Vogel.
Es bleibt quellwolkig – Eine Teilentwarnung
Die Studien von Dr. George und Dr. Vogel zeigen, dass die Passatwindschicht dynamischer ist als erwartet. Die Stärke der Konvektion ist äußerst wechselhaft. Doch dies und auch eine insgesamt stärkere Durchmischung führen nicht dazu, dass die Wolken austrocknen. „Im Gegenteil. Wenn die Durchmischung stärker ist, gibt es eher mehr Wolken“, so Dr. Vogel. Sie konnten auch den Grund dafür verstehen, da eine stärkere Durchmischung mit flachen mesoskaligen Zirkulationen verbunden war, die Klimamodelle nicht abbilden. Zudem ist der aufwärts gerichtete Zweig dieser mesoskaligen Umwälzzirkulationen feuchter, da er Feuchtigkeit nach oben transportiert.
Also „alles nur halb so schlimm“ mit der Erderwärmung? „Auf keinen Fall“, betont Dr. Vogel. „Denn die Reaktion der Passat-Quellwolken lässt die Erwärmung nicht verschwinden. Sie führt nur nicht zu einer besonderen Verstärkung der Erwärmung. Das widerlegt die Vorhersagen einiger Klimamodelle über eine verstärkte Erwärmung aufgrund der Reaktion dieser Wolken.“ Die Studie erhöht somit das Vertrauen in die mittleren Schätzungen für die Klimasensitivität (ca. 3° C bei einer CO2-Verdopplung). Und das ist ein Grad der Erwärmung, der weiterhin Anlass zur Sorge gibt.
Corona hat zusammengeschweißt – Forschen während der Pandemie
Dennoch: Es ist eine gute Klimanachricht. Gut vor allem, dass sie überhaupt da ist. Schließlich wurden die Forscher*innen, die von EUREC4A zurückkehrten, und der Rest der Welt durch COVID-19 lahmgelegt. „Die Daten waren gerade noch vor dem weltweiten Ausruf der Pandemie fertig im Kasten. Zwei Monate später und es wäre unmöglich gewesen“, erzählt Dr. Vogel. Am 20. Februar 2020 sind sie und Dr. George von Barbados nach Hamburg zurückgereist. Plötzlich ging es um Forschungsarbeit unter Bedingungen einer weltweiten neuen Krankheit – mit negativem wie positivem Einfluss, sagt Dr. Vogel.
„Instrumente und Komponenten des französischen Flugzeugs waren zum Beispiel unglaublich lange im Hafen von Barbados gestrandet. So sind wir an gewisse Daten erst nach fast einem Jahr rangekommen.“ Umgekehrt habe die Pandemie der Datenauswertung auch geholfen. „Wer seine Daten hatte, konnte sich voll darauf konzentrieren. Einige von uns hätten sonst zwei, drei Monate später schon die nächste Kampagne gehabt. Weil dies nun nicht so war, wurden die EUREC4A-Daten viel schneller bearbeitet.“
Außerdem habe sich eine starke Online-Disziplin entwickelt. Das deutsch-französische Team traf sich einmal pro Woche per Videokonferenz und habe immer mehrere Stunden konzentriert zusammengearbeitet. „Ich weiß nicht, ob das sonst auch so intensiv gewesen wäre“, resümiert Dr. Dr. Vogel. „Auf jeden Fall bleiben wir uns weiter eng verbunden und arbeiten weiterhin sehr gern zusammen.“
Musterhaft organisiert – So geht es weiter
Künftig wird es darum gehen, dem „Motor“ hinter der mesoskaligen Zirkulation auf den Grund zu gehen. „Warum sehen wir so viel Variabilität und was treibt dies im Wesentlichen an? Und wie kann man Wolkenverhalten hieraus leichter vorhersagen?“ Dr. George, der vor kurzem eine Stelle als Assistenzprofessor an der Technischen Universität Delft (TU Delft) angenommen hat, wird sich weiterhin mit diesen Themen befassen. „Die Art der Zirkulation, die wir gefunden haben, kreiert feuchtere und trockenere Bereiche in der Wolkenschicht, vor allem an der Wolkenbasis. Das Ziel ist nun, anhand dieser Feuchteverteilung vorherzusagen, wie sich die Wolken insgesamt auch in der Höhe entwickeln.“
Die Feuchteverteilung bestimmt auch die Wolkenmuster mit. Wie organisieren sich Wolken? Welche Muster bilden sie in Zukunft vielleicht vermehrt? Werden es beispielweise eher viele zufällig verteilte kleine Wölkchen sein oder eher größere Cluster? Dr. Vogel wird diese Forschungsarbeit fortsetzen. Ihr besonderes Interesse gilt dabei dem Einfluss des Niederschlags: Wenn sich Regen bildet, bilden sich sogenannte Cold Pools (‚Kaltluftseen‘), die sich stark in die Wolkenmuster einprägen. Cold Pools kann man sich als Blasen kalter Luft vorstellen, die sich durch die Verdunstung von Regen bilden und sich unter den Wolken ausbreiten, wobei sich an ihrem Rand oft neue Wolken bilden. Diese Cold Pools kennen wir von Regenschauern im Sommer, wenn sich die Luft in Bodennähe stark abkühlt und starke Windböen auftreten, die dem Regen vorausgehen. In den Passatwinden wird die Wolkenbildung innerhalb dieser Cold Pools unterdrückt, aber am Rande verstärkt. Sie beeinflussen also, wo sich Wolken bilden und ob sich größere Wolken bilden, die dann wieder mehr Niederschlag bringen. „Mit der Erwärmung könnten andere Musterbildungen aufkommen. Die Frage ist dann, ob und wie das die Gesamtbewölkung und somit die Strahlungsbilanz verändert.“ Um diese Ideen weiter zu untersuchen, arbeitet Dr. Vogel mit den Teams am MPI-M und LMD zusammen, um eine weitere Feldstudie zu organisieren. Sie ist für den Sommer 2024 im tropischen Atlantik geplant, wo sich hochreichende Wolken bilden und der Regen stärker ausgeprägt ist.
In der Zwischenzeit arbeiten die Forscher*innen weiter mit anderen zusammen, um den EUREC4A-Datenschatz zu erforschen. Sie kombinieren die Daten mit hochauflösenden Modellen, um zu sehen, welche weiteren Geheimnisse sie enthüllen könnten.
Originalpublikationen
Vogel, R., Albright, A., Vial, J., George, G., Stevens, B., Bony, S. (2022). Strong cloud-circulation coupling explains weak trade cumulus feedback. Nature 612, 696–700 (2022). doi.org/10.1038/s41586-022-05364-y
George, G., Stevens, B., Bony, S., Vogel, R., Naumann, A.K. (under review in Nature Geoscience). Ubiquity of shallow mesoscale circulations in the trades and their influence on moisture variance. DOI: 10.1002/essoar.10512427.1
Kontakt
Dr. Geet George
Max-Planck-Institut für Meteorologie
geet.george@ mpimet.mpg.de
Prof. Dr. Bjorn Stevens
Max-Planck-Institut für Meteorologie
bjorn.stevens@ mpimet.mpg.de
Dr. Raphaela Vogel
Universität Hamburg
raphaela.vogel@ uni-hamburg.de