Der Einfluss von Klimastörungen auf das Timing von Heinrich-Ereignissen

Während der letzten Eiszeit (ca. 65.000-15.000 Jahre vor heute) prägten periodische Instabilitäten des nordamerikanischen Eisschildes die klimatische Entwicklung der nördlichen Hemisphäre. Diese Instabilitäten werden als Heinrich-Ereignisse bezeichnet und sind durch den Eintrag von großen Mengen an Eisbergen in den Nordatlantik charakterisiert. Die treibenden Mechanismen hinter diesen Ereignissen sind jedoch bis heute ungenügend verstanden. In einer neuen Studie untersuchen Schannwell et al. die Sensitivität der Heinrich-Ereignisse gegenüber verschiedenen Klimaantrieben. Die Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen des Schneefalls und der Oberflächentemperatur den zeitlichen Ablauf von Heinrich-Ereignissen beeinflussen können, wobei die Stärke der Reaktion von den regional vorherrschenden klimatischen und glaziologischen Bedingungen abhängt.

Heinrich-Ereignisse sind eines der prominentesten Signale der Klimavariabilität während der letzten Eiszeit. Sie sind bekannt als quasi-periodisch auftretende Instabilitäten des Eisschildes, bei denen die Fließgeschwindigkeit des Eisschildes plötzlich rapide zunimmt und dadurch große Mengen von Eisbergen vom nordamerikanischen Eisschild relativ plötzlich in den Nordatlantik freigesetzt werden. Nach dem Auftreten eines Heinrich-Ereignisses wächst der Eisschild wieder auf seine ursprüngliche Größe an, bevor ein weiteres Heinrich-Ereignis ausgelöst wird. Solche zyklischen Wechsel zwischen einem großen und einem kleinen Eisschild werden als oszillierendes System bezeichnet. Insgesamt wurden sechs dieser Ereignisse im Laufe der letzten Eiszeit in den Paläobeobachtungen eindeutig identifiziert.

Um das Vertrauen in unsere Klimamodelle zu erhöhen und um abschätzen zu können, ob ähnliche Ereignisse auch in der Zukunft auftreten können, ist es wichtig die treibenden Prozesse hinter Heinrich-Ereignissen besser zu verstehen. Hierfür verwenden Schannwell et al. ein gekoppeltes Modell bestehend aus einem Eisschildmodell und einem Modell der festen Erde. Sie konzentrieren ihre Analyse auf zwei prominente Eisströme des nordamerikanisches Eisschildes: den Mackenzie-Eisstrom und den Hudson-Eisstrom (Abb. 1). Beide Eisströme weisen unterschiedliche glaziologische und klimatische Bedingungen auf. Der Mackenzie-Eisstrom endet an Land und befindet sich in einem wärmeren Klima im Nordwesten des nordamerikanischen Kontinents. Im Gegensatz dazu mündet der Hudson-Eisstrom direkt in die Labradorsee und damit in den Atlantischen Ozean und befindet sich in einem kühleren Klima auf der Ostseite des Kontinents.

 

Video einer Simulation

Die Autoren*innen stellen fest, dass die unterschiedlichen klimatischen und glaziologischen Bedingungen der beiden Eisströme zu einer unterschiedlichen dynamischen Entwicklung der Heinrich-Ereignisse führen. Beim Hudson-Eisstrom werden die Instabilitäten an der Eisstromfront ausgelöst und breiten sich stromaufwärts aus, während beim Mackenzie-Eisstrom die Instabilitäten weiter stromaufwärts ausgelöst werden und sich dann stromabwärts ausbreiten. Systematische und idealisierte Klimaexperimente, in denen wichtige Parameter wie Schneefall und Oberflächentemperatur in ihrer Frequenz als auch ihrer Magnitude variiert wurden, zeigen, dass beide Eisströme kaum von Änderungen in der Frequenz der Klimabedingungen beeinflusst werden. Beide Eisströme weisen auch qualitativ die gleiche Reaktion auf sich ändernde klimatische Bedingungen auf. Allerdings unterscheiden sich die Magnituden der Reaktion aufgrund von Änderungen der Oberflächentemperatur und des Schneefalls deutlich. Das Fehlen jeglicher Oberflächenschmelze des Hudson-Eisstroms führt dazu, dass die Instabilität des Eisschildes am stärksten von Änderungen des Schneefalls beeinflusst wird. Im Vergleich dazu führen die wärmeren Klimabedingungen in der Mackenzie-Eisstromregion dazu, dass Heinrich-Ereignisse in erster Linie durch Änderungen der Oberflächentemperatur beeinflusst werden.

Das wärmere Klima der Mackenzie-Region führt zudem häufig zu einer Überschreitung einer kritischen Schwelle. Wird diese Schwelle überschritten, können Heinrich-Ereignisse nicht mehr auftreten und die gesamte Region entwickelt sich zu einem stetigen Eisstrom. In den Simulationen hebt der Übergang von einem oszillierenden System zu einem stetigen Eisstromsystem den globalen Meeresspiegel um fast zwei Meter an und setzt große Mengen an Süßwasser in der Arktis frei, was weitreichende klimatische Folgen hat. Dies zeigt, dass der Mackenzie-Eisstrom vermutlich auch in der Vergangenheit zu abrupten Klimaveränderungen beigetragen hat, wie zum Beispiel der rapiden Abkühlung während der Jüngeren Dryas-Kaltzeit, zwischen 12.900 und 11.600 Jahren vor heute.

Originalveröffentlichung:

Schannwell, C., Mikolajewicz, U., Ziemen, F., and Kapsch, M.-L. (2023). Sensitivity of Heinrich-type ice-sheet surge characteristics to boundary forcing perturbations. Climate of the Past, 19, 179–198, https://cp.copernicus.org/articles/19/179/2023/.

Kontakt:

Dr. Clemens Schannwell
Max-Planck-Institut für Meteorologie
clemens.schannwell@we dont want spammpimet.mpg.de

Uwe Mikolajewicz
Max-Planck-Institut für Meteorologie
uwe.mikolajewicz@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Marie-Luise Kapsch
Max-Planck-Institut für Meteorologie
marie-luise.kapsch@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Florian Ziemen
Deutsches Klimarechenzentrum
ziemen@we dont want spamdkrz.de