CELLO: Klimaforschung in lebhafter Verbindung mit dem Ozean

Vom 16. bis 18. September 2025 haben sich rund 220 Ozeanforscher*innen bei der vom Max-Planck-Institut für Meteorologie ausgerichteten CELLO-Konferenz getroffen. Die Beiträge spannten einen weiten Bogen über verschiedene räumliche Skalen und Disziplinen – alle mit dem Ziel, die Dynamik des Ozeans und ihren Einfluss auf das Klima besser zu verstehen.

Akustisch sind die Regengüsse auf dem Dach des Zeltes, in dem die Posterausstellung stattfindet, und der Applaus im holzvertäfelten Hörsaal der Bucerius Law School sich sehr ähnlich: ein kräftiges Rauschen, das kurz anschwillt und bald danach wieder verklingt. Klingend ist auch der Name der vom Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) veranstalteten Konferenz: „Climate Exploration in Lively Liaison with the Ocean“, auf Deutsch etwa: Erkundung des Klimas in lebhafter Verbindung mit dem Ozean. Das Akronym, CELLO, spielt auf die tiefen Töne an, die charakteristisch für das Streichinstrument sind – eine Metapher für die niederfrequente Antwort des Ozeans auf die hochfrequenten Signale der Atmosphäre, welche der MPI-M-Gründungsdirektor und spätere Nobelpreisträger Klaus Hasselmann mithilfe seiner stochastischen Klimamodelle enthüllt hatte.

Die ersten dreidimensionalen Ozeanzirkulationsmodelle am Institut entwickelte vor allem Hasselmanns Mitarbeiter Ernst Maier-Reimer. Vor gut 20 Jahren riefen Wissenschaftler*innen am MPI-M zusammen mit Partner*innen des Deutschen Wetterdienstes dann das ICON-Modell ins Leben, welches speziell für die parallele Rechnerstruktur moderner Supercomputer optimiert ist. Dessen Ozeankomponente geht auf die Arbeit von Peter Korn und Kolleg*innen zurück. Seither wurde sie in der Tradition von Hasselmann und Maier-Reimer kontinuierlich weiterentwickelt.

CELLO: Die Ozeankonferenz im Jubiläumsjahr

Peter Korn und Nils Brüggemann leiten gemeinsam die Arbeitsgruppe „Komplexe Modellierung und extremes Computing“ am MPI-M. Zusammen mit Jochem Marotzke, dem Direktor der Abteilung „Klimavariabilität“ am MPI-M, haben sie die CELLO-Konferenz organisiert. Bereits viermal hatte das Institut in Hamburg internationale Konferenzen zur Erdsystemmodellierung ausgerichtet, zuletzt 2017. Im Jahr 2025 legt das Institut anlässlich seines 50. Jubiläums den Schwerpunkt bei der fünften Ausgabe dieser Veranstaltung auf den Ozean – dem Hauptinteresse auch von Gründungsdirektor Hasselmann.

Das Konzept der Tagung: Alle 220 Teilnehmenden lauschen gemeinsam den Plenarvorträgen, statt sich auf verschiedene parallele Sitzungen aufzuteilen. Und so diskutieren Theoretiker*innen, Modellierer*innen und Forschende, die mit Beobachtungsdaten arbeiten oder selbst Messungen durchführen, angeregt miteinander. „Die Konferenz deckt ein breites Spektrum verschiedener Disziplinen innerhalb der Ozeanografie ab“, sagt Raffaele Ferrari vom Massachusetts Institute of Technology, einer der Hauptvortragenden der Tagung. „Anders als bei sehr großen Konferenzen hat man hier die Möglichkeit, die Präsentationen der Vortragenden tatsächlich zu verstehen und ihre Forschungsergebnisse direkt mit ihnen zu diskutieren.“

Neue Entwicklungen in der Ozeanforschung

Zu besprechen gibt es Einiges: Stark vereinfachte Konzepte, welche die komplizierte, dynamische Natur des Ozeans ignorieren, stehen infrage. Stattdessen erlauben Modelle mit immer höherer räumlicher Auflösung, kleinskalige Prozesse explizit physikalisch darzustellen. Und damit nähern sich auch die räumlichen Skalen von Modellierung und Beobachtung an, wie Eleanor Frajka-Williams von der Universität Hamburg in ihrem Vortrag über ihre jüngste Forschungsschifffahrt darlegt: „Wir kommen allmählich in einen Bereich, wo wir hochauflösende Modelle und Beobachtungen tatsächlich miteinander vergleichen können.“

Im Gegensatz zu den Umwälzbewegungen und weiträumigen Strömungen, die sich gut auf großen Skalen beschreiben und erfassen lassen, geht es bei den kleinräumigen Prozessen oft chaotischer zu. Turbulenz, also Verwirbelungen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen, spielt für die Durchmischung des Ozeans und für den Energietransport eine wichtige Rolle. Raffaele Ferrari vergleicht den Ozean mit einer Lunge. In dieser sorgen feine Verästelungen in den Lungenbläschen für einen effektiven Austausch von Gasen. Im Ozean gibt es ebensolche feinen Verästelungen: sogenannte Ozeanfronten, wo Wassermassen mit stark unterschiedlichen Eigenschaften wie Temperatur und Salzgehalt aufeinandertreffen. Grob aufgelöste Klimamodelle, wie sie für die Berichte des Weltklimarats IPCC verwendet werden, lösen diese feinen Dynamiken nicht auf. Die Atmung des Ozeans, also der Austausch von Gasen und Wärme zwischen Atmosphäre und dem tiefen Ozean, hängt aber von der kleinräumigen Turbulenz ab, welche sich an diesen Fronten bildet. Demnach ist ein Klimamodell ohne diese kleinskaligen Prozesse wie ein Modell der Lunge ohne Lungenbläschen. Bisher haben sich Forschende mit Vereinfachungen beholfen, welche die kollektive Wirkung solch kleinskaliger Prozesse beschreiben. Diese Parametrisierungen sind allerdings unvollkommen. Es fehlt ein Stück Dynamik, es fehlt die lebhafte Verbindung mit dem Ozean.

Hochauflösende Modellierung, ermöglicht durch die enorme Rechenleistung moderner Supercomputer, könnte hier wichtige Fortschritte ermöglichen. „Mithilfe der hochauflösenden Modellierung können wir nun endlich den Ozean als turbulentes Fluid darstellen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den Arbeiten von Hasselmann und Maier-Reimer. Wir haben hier eine Tür geöffnet und sind gespannt, was dahinter zum Vorschein kommt“, so Peter Korn. Bei der Modellierung von Ozeanturbulenz gehe es einerseits um die Turbulenz innerhalb des Ozeans. „Andererseits tritt Turbulenz immer dort auf, wo Komponenten des Klimasystems miteinander interagieren.“ Polarforscherin Céline Heuzé von der Universität Göteborg etwa betrachtet die Grenze zwischen Eis, dem Ozean und der Atmosphäre mithilfe von Modellen und Beobachtungsdaten. „Die Bildung und Öffnung von Meereis, wie sie in sogenannten Polynias auftreten, lösen viel Turbulenz aus. Diese Turbulenz wiederum stößt viele wichtige, großskalige Prozesse in der Atmosphäre und im Ozean an, sowie solche mit Bezug zur Biologie und Biogeochemie des Systems.“

Eine gewachsene Community

Den verschiedenen Aspekten der Ozeanturbulenz widmen sich die Teilnehmenden an drei Konferenztagen vom 16. bis 18. September: Am ersten Tag dreht sich alles rund um die Turbulenz im Ozean. Um Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, dem Meer und Eis geht es schwerpunktmäßig an Tag zwei. Und am letzten Tag von CELLO tauschen sich die Teilnehmenden zu neuen Modellierungsansätzen aus.

Lebhaft, wie es der Konferenztitel verspricht, wirken einige Präsentationen allein optisch: Mehrere Vortragende zeigen Animationen, in denen Punkte im Zeitraffer über den Globus sausen, weiträumige Strömungen zwischen den Kontinenten hin und her fließen, kleine Wirbel über den Bildschirm rotieren oder Wellen von einer Seite der Leinwand zur anderen schwappen. Lebhaft sind auch die Diskussionen der Teilnehmenden und die Gespräche über einer Tasse Kaffee in den gemeinsam verbrachten Pausen. Viele kennen sich gut. „Diese Community ist wie eine Familie in dem Sinne, dass wir uns gegenseitig auf eine positive Art anspornen“, sagt David Battisti von der Universität Washington, einer der Hauptvortragenden der Veranstaltung. Der Atmosphärenwissenschaftler erforscht das Zusammenspiel der Ozeandynamik mit der Atmosphäre und seine Bedeutung für die natürliche Klimavariabilität über Zeiträume von Monaten bis zu Jahrzehnten. In seinem Vortrag zeigt Battisti, dass die Reaktion der Atmosphäre auf Anomalien der Meeresoberflächentemperatur in den mittleren Breiten je nach Modellauflösung variiert, wobei sie in hochauflösenden Modellen stärker ausfällt. „Es gibt Beobachtungen, es gibt die Theorie, und es gibt Modelle, die die kleinräumigen Prozesse auflösen können. Diese verschiedenen Elemente kommen zusammen, und es besteht hier echtes Potenzial für Fortschritte bei der Vorhersage des Klimas auf dekadischer Zeitskala.“

Das Potential neuer Methoden

Auch Methoden des maschinellen Lernens beziehungsweise beruhend auf Künstlicher Intelligenz (KI) kommen für Klimavorhersagen infrage. Peter Korn zieht hier eine weitere Parallele zur Arbeit des MPI-M-Gründungsdirektors: „Hasselmann hatte in den Siebzigern eine statistische Methode entwickelt, mit der sich das anthropogene Signal der Klimaerwärmung von natürlichen Klimaschwankungen unterscheiden lässt. Auch KI ist im Grunde eine statistische Methode. Ob damit dann ebenfalls solche bahnbrechenden Erkenntnisse gelingen, bleibt abzuwarten. Aber aktueller Forschung ist auf jeden Fall daran gelegen, die Methode und ihre Möglichkeiten genauer zu verstehen. Deshalb freue ich mich, dass wir hierzu einige Vortragende gewinnen konnten.“

Von der Beobachtung der Ozeanbewegungen vom Schiff aus über die Modellierung von Gezeiten, von theoretischen Berechnungen bis hin zu KI: Die Konferenzbeiträge spannen einen weiten Bogen, der nicht nur verschiedene Disziplinen oder verschiedene räumliche Skalen umfasst, sondern die Teilnehmenden auch von der Atmosphäre bis in die Tiefsee und in alle Gegenden des Globus führt, von der Antarktis über den tropischen Pazifik bis zum Nordatlantik. Atmosphärenforscher Battisti beschreibt, wie sich das anfühlt: „An der Konferenz teilzunehmen ist wie ein Kind im Süßwarenladen zu sein. Man lernt überall etwas darüber, wie die Natur funktioniert.“

Weitere Informationen

CELLO-Konferenzwebseite

Kontakt

Dr. Nils Brüggemann
Max-Planck-Institut für Meteorologie
nils.brueggemann@mpimet.mpg.de

Dr. Peter Korn
Max-Planck-Institut für Meteorologie
peter.korn@mpimet.mpg.de

Prof. Dr. Jochem Marotzke
Max-Planck-Institut für Meteorologie
jochem.marotzke@mpimet.mpg.de