Das Max-Planck-Institut Grand Ensemble – ein Instrument zur Untersuchung der internen Variabilität des Klimasystems

Während der letzten 150 Jahre war der Anstieg der vom Menschen verursachten Treibhausgase der Hauptantrieb für den Klimawandel. Trotzdem wird der menschengemachte Erwärmungstrend über Jahre bis zu Jahrzehnten von der natürlichen Variabilität überlagert und mitbestimmt. Die natürliche Variabilität umfasst die interne Variabilität — spontan erzeugt durch Prozesse und Rückkopplungen im Klimasystem selbst — und die extern angetriebene Variabilität — verursacht zum Beispiel durch Änderungen der Sonneneinstrahlung und durch Vulkanausbrüche. Damit stellt die interne Variabilität des Klimasystems eine der größten Unsicherheiten bei der Beurteilung heutiger Klimaschwankungen und der modellbasierten Projektionen der zukünftigen Klimaentwicklung dar. Im abteilungsübergreifenden Grand Ensemble-Projekt am MPI-M wurde ein Instrument bereitgestellt, mit dem unter anderem diese Unsicherheiten untersucht werden können.

Für dieses Projekt wurden mit dem Erdsystemmodell des MPI-M (MPI-ESM) eine Vielzahl von Modellsimulationen berechnet, die von leicht unterschiedlichen Anfangsbedingungen starten, aber dem gleichen externen Antrieb, d.h. zunehmenden Treibhausgasen, Vulkanausbrüchen, Landnutzung und Aerosolen, unterliegen. Es wurden jeweils 100 Modellsimulationen für das historische Klima seit 1850 bis 2005, für drei unterschiedliche Zukunftsszenarien und für idealisierte Klimaänderungsrechnungen durchgeführt. Dabei reagiert das Klima immer gleich auf die externen Antriebe, aber unterschiedlich auf die interne Variabilität. Daher eignet sich ein sehr großes Ensemble von Modellsimulationen, um die interne Variabilität und externe Antriebe zu untersuchen und voneinander zu separieren. Das Verständnis der Änderungen im Klimasystem in der globalen Erwärmung wird durch diese Vielzahl von Realisierungen tragfähiger, insbesondere was Änderungen im Bereich der Extremwerte angeht. Zudem eignet sich ein großes Ensemble von Simulationen, um im Vergleich zu Beobachtungen, die ebenfalls der internen Variabilität unterliegen, eine robustere Einschätzung vorzunehmen.

Das Max-Planck-Institut Grand Ensemble (MPI-GE) ist das größte existierende Ensemble eines einzelnen umfassenden Erdsystemmodells, welches zurzeit verfügbar ist. Im Gegensatz zu vergleichbaren Projekten anderer Institute bietet das MPI-GE eine deutlich größere Anzahl an Realisierungen und war zudem das erste ‚Large Ensemble‘ mit mehreren unterschiedlichen Zukunftsszenarien. ‚Large Ensembles‘ sind das beste Instrument, um die möglichen Projektionen unter unterschiedlichen Klimabedingungen (Szenarien) präzise zu quantifizieren. Dies gelingt zum Beispiel nicht mit den Modellsimulationen des Coupled Model Intercomparison Projects (CMIP), mit deren Ensembles man zwar den kombinierten Effekt von interner Variabilität, externer Antriebe und physikalischer Modellunsicherheiten einzelner Modelle in Klimaprojektionen abschätzen, aber mit einer begrenzten Zahl von Ensembleläufen eines einzelnen Modells nicht die präzise Trennung von interner Variabilität von den externen Antrieben erreichen kann.

Drei Anwendungsbeispiele

Eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie (Marotzke, 2019) verwendet verschiedene Zukunftsszenarien, um zu zeigen, dass selbst bei einer Reduktion der CO2-Emissionen nicht zwangsläufig eine Abschwächung des globalen Temperaturanstiegs in den nächsten 15 Jahren zu beobachten sein wird (Abb. 1). Dabei verdeckt nämlich die interne Variabilität das extern angetriebene Signal. Diese Erkenntnis über eine gewisse unreduzierbare Unsicherheit in möglichen Entwicklungen in der nahen Zukunft ist für die politische Entscheidungsfindung relevant.

In einer anderen Studie wurde die zukünftige Entwicklung des arktischen Meereises unter Szenarien geringer Erwärmung untersucht (Niederdrenk und Notz, 2018). Die Autor*innen stellen fest, dass der arktische Ozean — abhängig von den Beobachtungsdaten, die zur Abschätzung der zukünftigen Entwicklung des Meereises verwendet werden — in den meisten Sommern eisfrei sein wird, sobald die Temperaturen einen Schwellenwert zwischen 1,7 °C und 2,2 °C überschreiten. Die Hauptquelle der Unsicherheit für diesen Schwellenwert ist die Unsicherheit hinsichtlich der Beobachtungsdaten. Dies gilt sowohl für die aktuelle globale Erwärmung als auch für die beobachtete Meereisfläche. Diese Unsicherheit ist größer als die Unsicherheit, die durch interne Variabilität entsteht. Die Autor*innen kombinieren erstmals die Beobachtungsdaten der globalen Mitteltemperatur und des arktischen Meereisgebiets mit dem MPI-GE, um die zukünftige Entwicklung des arktischen Meereises abzuschätzen. Sie finden heraus, dass es für das arktische Meereis wichtig ist, ob die globale Erwärmung auf 1,5 °C oder 2,0 °C begrenzt ist: Die Wahrscheinlichkeit eines vollständigen Eisverlustes im Sommer ist bei einer globalen Erwärmung von 2,0 °C deutlich erhöht. Dieser belastbare Vergleich von zukünftigem Klima unter unterschiedlichen Erwärmungsbedingungen ist nun mit dem MPI-GE möglich.

In einer weiteren Veröffentlichung untersuchen Suarez-Gutierrez et al. (2018), inwieweit extreme europäische Sommertemperaturen, wie sie bei 2 °C globaler Erwärmung auftreten, in einer 1,5 °C wärmeren Welt vermieden werden könnten. Sie analysieren also, inwieweit extreme europäische Sommertemperaturen durch Begrenzung der globalen Erwärmung auf die globalen Mitteltemperaturgrenzen des Pariser Abkommens kontrolliert werden könnten. Um die Kontrollierbarkeit der europäischen Sommertemperaturen durch globale Mitteltemperaturgrenzen zu beurteilen, wurde das MPI-GE genutzt. Die Forscher*innen wollten damit die nicht reduzierbare Unsicherheit, die sich aus der chaotischen internen Variabilität des Klimasystems ergibt, so gut wie möglich erfassen.

Die Veröffentlichung bietet eine neue Perspektive, da sie sich nicht nur auf die Unterschiede des durchschnittlichen Klimas bei 1,5 °C und 2 °C globaler Erwärmung konzentriert, sondern vielmehr die gesamte Bandbreite möglicher europäischer Sommertemperaturen unter beiden Klimazielen betrachtet, die durch interne Variabilität entstehen. Mit dem MPI-GE haben die Forscher*innen den gesamten Bereich der nicht reduzierbaren Unsicherheit untersucht und festgestellt, dass nur 10 % der extremen Sommertemperaturen bei 2 °C durch die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C vermieden werden können. Obwohl nur 10 % der extremen Temperaturen vermieden werden könnten, würden diese Ereignisse den extremsten und stärksten Hitzewellen entsprechen, jenen mit den schwerwiegendsten Folgen. Die Wissenschaftler*innen stellen außerdem fest, dass aufgrund des starken Einflusses der internen Variabilität nur 40 % der Sommermonate bei 1,5 °C Erwärmung Temperaturen aufweisen, die von jenen bei 2 °C der globalen Erwärmung unterscheidbar sind (Abb. 2).

Nutzung des MPI-GE

Die MPI-GE-Simulationen stehen seit Anfang 2019 öffentlich zur Verfügung und werden von Wissenschaftler*innen weltweit genutzt. Die Beschreibung der Simulationen sowie eine Übersicht vier neuartiger Anwendungen wurden von Maher et al. (2019) veröffentlicht. Diese neuartigen Anwendungen sind nur mit einem ‚Large Ensemble‘ möglich und zeigen die Schlagkraft des MPI-GE.

Die erste Anwendung befasst sich mit der Frage, ob es eine Pfadabhängigkeit der Temperatur- und Niederschlagsreaktionen unter verschiedenen Zukunftsszenarien gibt, etwas, dass zurzeit nur mit multiplen Zukunftsszenarien des MPI-GE untersucht werden kann. Mit dem MPI-GE ist es möglich, die Unterschiede der Reaktionen zwischen den Szenarien zu quantifizieren und diese mit der Stärke der internen Variabilität zu vergleichen. Es hat sich gezeigt, dass die Beziehung von Temperatur und Niederschlag nicht für alle Szenarien konsistent ist, und dass es offenbar eine Pfadabhängigkeit für den Niederschlag gibt, aber nicht für die Temperatur. Diese Abhängigkeit wird vermutlich durch unterschiedlichen Aerosolantrieb in den verschiedenen Szenarien verursacht. Es stellt sich heraus, dass die Unterschiede zwischen den Szenarien für den Niederschlag in bestimmten Regionen (im westlichen Pazifik, im östlichen Südamerika und in Teilen Afrikas und Südasiens) größer sind als die interne Variabilität.

In einer zweiten Analyse wird untersucht, wie Änderungen in der hochvariablen atmosphärischen Zirkulation in der Zukunft aussehen. Bisher sind die Änderungen in den Projektionen zum Beispiel für die troposphärischen Jets und den stratosphärischen Polarwirbels sehr unsicher. So schwächt sich möglicherweise schon jetzt der Polarwirbel unter der menschengemachten Erwärmung ab. Diese Abschwächung könnte aber von der internen Variabilität im Klimasystem überlagert sein. Mit dem MPI-GE kann man die historische und die zukünftige Szenarien-Entwicklung abschätzen und mit Zeitreihen jährlicher Differenzen zwischen den Ensemblemitteln und dem vorindustriellen Ensemblemittel Änderungen in der Zirkulation für die Zukunft identifizieren.

Ein dritter Anwendungsbereich ist die Untersuchung der Zeitabhängigkeit der Variabilität in der Atlantischen Meridionalen Umwälzbewegung (AMOC). Es wird erwartet, dass sich die AMOC durch die globale Erwärmung abschwächt und sich damit das Klima in Europa und Nordamerika deutlich ändern kann. Die Abschwächung der AMOC hängt direkt mit einer stärkeren globalen Erwärmung zusammen, aber die interne Variabilität spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in der Reaktion des Klimas darauf. Maher et el. (2019) zeigen, dass die zukünftige Abschwächung der AMOC-Variabilität in allen Szenarienläufen in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts erfolgt und sich danach stabilisiert, was auf eine starke Zeitabhängigkeit hinweist.

In ihrer vierten Untersuchung zeigen Maher et al. (2019) am Beispiel für Trends im Bodendruck, wie man ein Ensemble mit 100 Realisierungen einsetzen kann, um die Ensemblegröße für eine spezifische Anwendung abzuschätzen. Mit dem MPI-GE kann man diese Frage untersuchen, aber die Antwort hängt sowohl von der Frage ab, welche Fehlergröße der Nutzer bereit ist zu akzeptieren, als auch vom benutzten Modell. Erreicht die benötigte Ensemblegröße den tatsächlichen Umfang des vorliegenden Ensembles, dann ist es schwierig zu entscheiden, ob die Ensemblegröße ausreicht oder ob der ersichtliche Fehler nur reduziert ist, weil er aus einem begrenzten Ensemble berechnet wurde. Generell ist die Empfehlung, größere Ensembles zu benutzen, um verlässliche Abschätzungen zu Modellabhängigkeiten von angeregten Trends vornehmen zu können.

Das MPI-M übernimmt international im Bereich ‚Large Ensemble’-Modellierung eine Führungsrolle und unterstützt aktiv die Zusammenarbeit verschiedener Forscher*innen. Derzeit wird eine Sonderausgabe der Fachzeitschrift Earth System Dynamics vorbereitet, die Arbeiten zum Thema ‚Large Ensemble‘-Modellierung sammelt.

In den letzten Monaten wurden aufbauend auf den existierenden Experimenten weitere Simulationen zum MPI-GE hinzugefügt, die durch eine höhere zeitliche Auflösung des Outputs sowie auch andere Anpassungen die Beantwortung neuer Forschungsfragen ermöglichen. Diese Erweiterung des MPI-GE erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg und dem Deutschen Wetterdienst. Im Oktober 2019 wurde in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München ein Seminar veranstaltet, in dem neue Modellierungsansätze entwickelt werden sollen, die auf den Large Ensemble Simulationen basieren.

Fazit

Durch seine Größe und seine vielfältigen Szenarien ist das MPI-GE ein schlagkräftiges Instrument, mit dem es möglich ist, Unsicherheiten sowohl durch die interne Variabilität als auch durch die unbekannten zukünftigen Entwicklungen zu untersuchen. Viel kann aus der alleinigen Nutzung des MPI-GE gelernt werden, aber auch aus der Kombination mit Beobachtungen und mit anderen ‚Large Ensemble‘-Projekten. Die MPI-GE-Simulationen stehen öffentlich zur Verfügung. Zukünftige Studien, die vielfältige große Ensembles kombinieren und insbesondere die Größe der Modellunsicherheit mit der internen Variabilität vergleichen, werden entscheidend sein, um die Modellunsicherheiten zu bestimmen und die Arbeit mit den Einzelmodellensembles weiter auszubauen.

Zitierte Veröffentlichungen

Marotzke, J. (2019) Quantifying the irreducible uncertainty in near-term climate projections, WIREs Clim Change, 10(1), e563–12, doi:10.1002/wcc.563.

Maher N., S. Milinski, L. Suarez-Gutierrez, M. Botzet, M. Dobrynin, L. Kornblueh, Y. Takano, J. Kröger, R. Ghosh, C. Hedemann, C. Li, H. Li, E. Manzini, D. Notz, D. Putrasahan, L. Boysen, M. Claussen, T. Ilyina, D. Olonscheck, T. Raddatz, B. Stevens, and J. Marotzke (2019) The Max Planck Institute Grand Ensemble: Enabling the Exploration of Climate System Variability, J. Adv. Model. Earth Syst., 28, 867–20, doi:10.1029/2019MS001639.

Niederdrenk, A. L., and D. Notz (2018) Arctic Sea Ice in a 1.5°C Warmer World, Geophys. Res. Lett., 45(4), 1963–1971, doi: 10.1002/2017GL076159.

Suarez-Gutierrez L., C. Li, W. A. Müller, and J. Marotzke (2018) Internal variability in European summer temperatures at 1.5°C and 2°C of global warming. Environ. Res. Lett. doi:10.1088/1748-9326/aaba58.

Mehr Informationen

Grand Ensemble

Kontakt

Dr. Nicola Maher
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 158
E-Mail: nicola.maher@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Sebastian Milinski
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 413
E-Mail: sebastian.milinski@we dont want spammpimet.mpg.de

Dr. Laura Suarez-Guiterrez
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 162
E-Mail: laura.suarez@we dont want spammpimet.mpg.de