Abschätzung von nicht reduzierbaren Unsicherheiten in kurzfristigen Klimaprojektionen

Kürzlich veröffentlichte Prof. Jochem Marotzke, Geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) und Leiter der Abteilung „Ozean im Erdsystem“ eine neue Studie in WIREs, in der er zeigt, dass es eine Eins-von-Drei-Chance gibt, dass sich bis 2035 die globale bodennahe Erwärmung trotz einer CO2-Abnahme ab 2020 beschleunigt statt verlangsamt, und dass nicht vorhersagbar ist, in welchem Klimazustand wir sein werden.

Die Veröffentlichung lädt zu einem Gedankenexperiment ein: wir springen in das Jahr 2035 und schauen auf die Klimaentwicklung der letzten 30 Jahre seit 2006 zurück. Das Pariser Abkommen von 2015 wurde sehr effektiv umgesetzt, und die Treibhausgasemissionen sind seit 2020 zurück gegangen. Können wir die Auswirkungen des Politikwandels durch das Pariser Abkommen nicht nur in den Emissionen, sondern auch im Klimageschehen sehen? Ziemlich wahrscheinlich wollen die Gesellschaft und die Öffentlichkeit nach dieser Emissionsumkehr wissen, was der Politikwandel bewirkt hat. Aber diese Frage ist besonders schwer zu beantworten, weil 15 Jahre eine relativ kurze Zeit in der Klimaentwicklung sind, und Trends über diese Zeitskalen von der zufälligen natürlichen internen Variabilität dominiert werden. Der Klimaeffekt auf einen Politikwandel mit Emissionsreduzierung ist daher unklar und möglicherweise von interner Variabilität überlagert. Die vorliegende Studie bietet eine neue Sichtweise auf die resultierende nicht reduzierbare Unsicherheit, indem ein sehr großes Ensemble (von 100 Läufen) moderner Klimamodellsimulationen mit der Hilfe einer formalen Theorie von Kausalität analysiert wurde.

Die Simulationsergebnisse zeigen eine Eins-von-Drei-Chance, dass sich die globale bodennahe Erwärmung sogar bei Emissionsreduzierung nach 2020 beschleunigen statt verlangsamen wird, wenn wir die Perioden 2021-2035 und 2006-2020 vergleichen. Wenn sich, im Gegensatz dazu, beim Vergleich der beiden Perioden die globale bodennahe Erwärmung verlangsamen würde, dann wäre es wichtig zu wissen, ob diese Verlangsamung tatsächlich durch die Emissionsreduzierung verursacht wurde – oder ob es zufällig geschah. Eine Wahrscheinlichkeit für solch eine Ursache kann berechnet werden, indem Simulationen, die Emissionsreduzierung annehmen, mit Simulationen, die es nicht tun, verglichen werden; die Eintrittswahrscheinlichkeit ist hier Eins-von-Drei.

Wenn sich die bodennahe Erwärmung trotz Emissionsreduzierung beschleunigt, dann schaut die Community der Klimawissenschaft möglicherweise in das Spiegelbild der Debatte über die Verlangsamung der bodennahen Erwärmung von vor einigen Jahren – dort stiegen die Emissionen an. Bei der Abschätzung von Ursachenwahrscheinlichkeiten und der anhaftenden nicht reduzierbaren Unsicherheit könnte diese Veröffentlichung sowohl der Wissenschaftsgemeinschaft als auch der Öffentlichkeit helfen, sich auf einen rationalen Diskurs über scheinbar überraschende Zukünfte vorzubereiten.

Originalveröffentlichung:

Marotzke, J. (2019). Quantifying the irreducible uncertainty in near-term climate projections. Wiley Interdisciplinary Reviews - Climate Change, 10: e563. doi:10.1002/wcc.563

Kontakt:

Prof. Dr. Jochem Marotzke
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 311 (Assistentin Kornelia Müller)
Email: jochem.marotzke@we dont want spammpimet.mpg.de